EINLEITUNG
Adalbert Stifter
Als Knabe trug ich außer Ruten, Gesträuchen und Blüten, die mich ergötzten, auch noch andere Dinge nach Hause, die mich fast noch mehr freuten, weil sie nicht so schnell Farbe und Bestand verloren wie die Pflanzen, nämlich allerlei Steine und Erddinge. Auf Feldern, an Rainen, auf Haiden und Hutweiden, ja sogar auf Wiesen, auf denen doch nur das hohe Gras steht, liegen die mannigfaltigsten dieser Dinge herum. Da ich nun viel im Freien herumschweifen durfte, konnte es nicht fehlen, daß ich bald die Plätze entdeckte, auf denen die Dinge zu treffen waren, und daß ich die, welche ich fand, mit nach Hause nahm.
Da ist an dem Wege, der von Oberplan nach Hossenreuth führt, ein geräumiges Stück Rasen, welches in die Felder hineingeht und mit einer Mauer aus losen Steinen eingefaßt ist. In diesen Steinen stecken kleine Blättchen, die wie Silber und Diamanten funkeln, und die man mit einem Messer oder mit einer Ahle herausbrechen kann. Wir Kinder hießen diese Blättchen Katzensilber und hatten eine sehr große Freude an ihnen.
Auf dem Berglein des Altrichters befindet sich ein Stein, der so fein und weich ist, daß man ihn mit einem Messer schneiden kann. Die Bewohner unserer Gegend nennen ihn Taufstein. Ich machte Täfelchen, Würfel, Ringe und Petschafte aus dem Steine, bis mir ein Mann, der Uhren, Barometer und Stammbäume verfertigte und Bilder lackierte, zeigte, daß man den Stein mit einem zarten Firnisse anstreichen müsse, und daß dann die schönsten blauen, grünen und rötlichen Linien zum Vorschein kämen.
Wenn ich Zeit hatte, legte ich meine Schätze in eine Reihe, betrachtete sie und hatte mein Vergnügen an ihnen. Besonders hatte die Verwunderung kein Ende, wenn es auf einem Steine so geheimnisvoll glänzte und leuchtete und äugelte, daß man es gar nicht ergründen konnte, woher denn das wohl käme. Freilich war manchmal auch ein Stück Glas darunter, das ich auf den Feldern gefunden hatte, und das in allerlei Regenbogenfarben schimmerte. Wenn sie dann sagten, das sei ja nur ein Glas, und noch dazu ein verwitterndes, wodurch es eben diese schimmernden Farben erhalten habe, so dachte ich: Ei, wenn es auch nur ein Glas ist, so hat es doch die schönen Farben, und es ist zum Staunen, wie es in der kühlen feuchten Erde diese Farben empfangen konnte, und ich ließ es unter den Steinen liegen.
Dieser Sammlergeist nun ist noch immer nicht von mir gewichen. Nicht nur trage ich noch heutzutage buchstäblich Steine in der Tasche nach Hause, um sie zu zeichnen oder zu malen und ihre Abbilder dann weiter zu verwenden, sondern ich lege ja auch hier eine Sammlung von allerlei Spielereien und Kram für die Jugend an, an dem sie eine Freude haben, und den sie sich zur Betrachtung zurecht reden möge. Freilich müssen meine jungen Freunde zu dieser Sammlung bedeutend älter sein als ich, da ich mir meine seltsamen Feldsteine zur Ergötzung nach Hause trug. Es wird der Fall nicht eintreten, daß ein Juwel in der Sammlung sei, so wie kaum die Gefahr vorhanden ist, daß ich unter meinen Steinen einstens etwa einen ungeschliffenen Diamant oder Rubin gehabt habe und ohne mein Wissen unermeßlich reich gewesen sei. Wenn aber manches Glasstück unter diesen Dingen ist, so bitte ich meine Freunde, zu denken, wie ich bei meinem Glase gedacht habe: es hat doch allerlei Farben und mag bei den Steinen belassen bleiben.
Wenn man einem Verstorbenen eine Sammlung widmen könnte, würde ich diese meinem verstorbenen jungen Freund Gustav widmen. Ich hatte ihn zufällig kennen gelernt, ihn lieb gewonnen, und er hatte mir wie einem Vater vertraut. Er hatte Freude an Spielereien, so wie er auch gleich einem Mädchen noch immer gelegentlich ein Stückchen Naschwerk liebte, und, wenn er bei mir zu Tische war, auch stets bekam. Möge er in seiner lichteren Heimat manchmal an den älteren Freund denken, der noch immer in dieser Welt ist und noch ein Stückchen Zeit da zu bleiben wünscht.
Weil es unermeßlich viele Steine gibt, so kann ich gar nicht voraussagen, wie groß diese Sammlung werden wird.
Im Herbst 1852
Der Verfasser