Brief 60. Usbek an Ibben, Smyrna.

Du fragst mich, ob es in Frankreich auch Juden gibt? Wisse, daß überall, wo es Geld gibt, es auch Juden gibt. Du fragst mich, was sie hier treiben? Genau dasselbe, was sie auch in Persien tun. Nichts gleicht einem asiatischen Juden mehr als ein europäischer.

Sie zeigen bei den Christen wie bei uns ein zähes Festhalten an ihrer Religion, das bis zur Torheit geht.

Die jüdische Religion ist ein alter Stamm, von dem zwei Zweige ausgehen, die die ganze Erde überschatten, ich meine den Mohammedanismus und das Christentum. Oder sie ist vielmehr eine Mutter, die zwei Töchter gezeugt hat, die sie dann mit tausend Wunden bedeckt haben. Denn in religiösen Dingen sind die Nächsten die größten Feinde. Aber wie schlechte Behandlung sie auch von ihnen hat tragen müssen, sie hört nicht auf, sich dessen zu rühmen, daß sie sie in die Welt gesetzt habe. Sie bedient sich beider, um die ganze Welt zu umspannen, während andrerseits ihr verehrungswürdiges Alter alle Zeiten umfaßt.

Die Juden betrachten sich also als die Quelle aller Heiligkeit und den Ursprung jeglicher Religion. Uns betrachten sie dagegen als Ketzer, die das Gesetz umgestoßen haben, oder vielmehr als abtrünnige Juden.

Wenn die Umgestaltung sich unmerklich vollzogen hätte, meinen sie, wären sie auch leicht verführt worden. Aber da sie plötzlich und gewaltsam eingetreten ist, da sie Tag und Stunde beider Geburten angeben können, so rümpfen sie die Nase darüber, daß man unser Alter nachrechnen kann, und halten fest an einer Religion, die so alt ist wie die Welt selbst.

Sie haben sich niemals in Europa einer so ruhigen Zeit erfreut, wie die jetzige für sie ist. Man beginnt unter den Christen den Geist der Unduldsamkeit abzulegen, der früher lebendig war. Man hat in Spanien bei der Vertreibung der Juden schlechte Geschäfte gemacht, wie in Frankreich bei der Beunruhigung derjenigen Christen, deren Glauben etwas von dem des Königs abwich. Man ist dahinter gekommen, daß der Eifer für die Weiterverbreitung einer Religion etwas anderes ist als die Anhänglichkeit, die man für sie haben soll, und daß, um sie zu lieben und zu bewahren, es nicht nötig ist, die zu hassen und zu verfolgen, die sie nicht beobachten.

Es wäre zu wünschen, daß die Muselmanen über diesen Gegenstand ebenso vernünftig dächten wie die Christen, damit man endlich einmal zwischen Ali und Abubekr Frieden machen und Gott die Sorge überlassen könnte, zwischen seinen heiligen Propheten den Entscheid zu treffen. Ich wollte, daß man sie durch Handlungen der Achtung und Anbetung ehrte und nicht durch unbegründete Bevorzugungen, und daß man sich ihre Gunst zu sichern suchte, welchen Platz ihnen auch Gott angewiesen haben möge, zu seiner Rechten oder unter dem Schemel seiner Füße.