Honoré de Balzac

Illustrationen von Gustave Doré

Zur Zeit, als die Ritter in Verfolgung des Glücks sich noch gegenseitig Hilfe und Beistand leisteten, ereignete es sich eines Tags in Sizilien, als welches, wenn ihr es nicht wissen solltet, eine ehemals berühmte Insel irgendwo im Mittelländischen Meer ist, daß dort in einer wilden Gegend ein Ritter einem andern Ritter begegnete, der das Aussehen eines Franzosen hatte. Dieser Franke schien in einer recht übeln Lage zu sein; er war sonder Pferd, Schildträger und Gefolge, auch in seinem Äußern so übel zugerichtet, daß man ihn ohne seine fürstliche Miene für einen Strauchdieb gehalten haben würde. Wahrscheinlich war sein Pferd vor Hunger oder Ermüdung schon jenseits des Meeres umgekommen, und er selber mochte auf Sizilien gelandet sein, weil man sich damals viel von fränkischen Rittern erzählte, die auf dieser Insel in jedem Sinn ihr Glück gemacht hatten. Der andre, namens Pezzara, war ein Venezianer, der seit langer Zeit die Republik verlassen und, da er am sizilianischen Hofe wohlgelitten war, nicht daran dachte, so bald wieder in sein Vaterland zurückzukehren, wo er als nachgeborener Sohn und ohne Sinn für Handelsgeschäfte nur eine traurige Rolle gespielt haben würde, weshalb er seine Familie trotz ihrer Berühmtheit aufgegeben hatte, um an diesen Hof zu kommen, wo er in hohem Grad die Gunst des Königs gewann. Dieser Venezianer ritt auf einem spanischen Hengst und dachte gerade darüber nach, wie einsam er im Grunde sei an dem fremden Hofe, wo er sich auf keinen einzigen Freund mit Sicherheit verlassen konnte. In diesen Gedanken, die ihn fast melancholisch machten, weil das Glück an dem Einsamen gern zum Verräter wird, sah er den fränkischen Junker auf sich zukommen, als welcher noch ärmer und verlassener aussah denn er, der in blinkenden Waffen auf einem schönen Pferde ritt und dessen Diener in der Herberge ein ausgezeichnetes Abendmahl für ihn bereitete.

»Ihr scheint weit herzukommen«, redete er den Franzosen an, »denn Ihr habt unmäßig verstaubte Füße.«

»Meine Füße tragen lange nicht den Staub all der Straßen, die ich gewandert bin«, entgegnete der Franke.

»Wenn Ihr so weit in der Welt umhergekommen seid, müßt Ihr viel gelernt und erfahren haben.«

»Ich habe gelernt«, antwortete der andre, »mich den Kuckuck um die zu kümmern, die sich nicht um mich kümmern. Ich habe ferner gelernt, daß auch die Füße derer, die mit ihrem Kopf den meinigen überragen, mit mir auf gleichem Boden stehen. Überdies hab ich noch gelernt, mich niemals auf drei Dinge zu verlassen: auf das warme Wetter im Winter, den Schlaf meiner Feinde und die Worte meiner Freunde.«

»Ihr seid also reicher als ich«, antwortete verwundert der Venezianer, »denn Ihr sprecht eine Weisheit aus, an die ich nie gedacht hatte.«

»Jeder hat so seine Gedanken«, sprach der fränkische Mann. »Aber da Ihr mich angeredet habt, darf ich Euch wohl um die Gefälligkeit ersuchen, mir den Weg nach Palermo oder eine Herberge zu weisen, denn der Tag neigt sich.«

»Kennt Ihr keinen fränkischen oder sizilianischen Herrn in Palermo?«

»Nein.«

»So seid Ihr also nicht sicher, daß man Euch einläßt?«

»Ich bin in der Verfassung, denen zu verzeihen, die mich zurückstoßen. Den Weg, mein Herr.«

»Ich bin verirrt wie Ihr«, sprach der Venezianer, »suchen wir zusammen.«

»Zu diesem Zweck müßten wir zusammen gehen; aber Ihr seid zu Pferd und ich zu Fuß.«

Lud also der Venezianer den fränkischen Edelmann ein, hinter ihm auf sein Pferd zu steigen.

»Ratet Ihr wohl, mit wem Ihr es zu tun habt?« fragte er.

»Mit einem Manne, dem Anschein nach.«

»Und glaubt Ihr in Sicherheit zu sein bei mir?«

»Wenn Ihr zur Zunft der Strolche gehören solltet, um so schlimmer für Euch!« antwortete der Franzose, indem er dem Venezianer seinen Dolchgriff auf die Brust setzte.

»Nun denn, mein Herr Franzose, Ihr scheint mir ein Mann zu sein von hoher Weisheit und großem Verstand. Wisset, daß ich als Fremder am Hofe von Sizilien lebe und mir nichts so sehnlich wünsche wie einen treuen Freund. Und Ihr, wenn mich nicht alles täuscht, scheint mir erst recht des Beistands bedürftig.«

»Wäre das ein Glück?«

»Ihr seid nicht auf den Kopf gefallen, Ihr schlagt mich mit jedem Wort. Beim heiligen Markus, Herr Franzose, kann man Euch vertrauen?«

»Mehr als Euch«, antwortete der Franke. »Ihr fangt Eure ritterliche Freundschaft damit an, daß Ihr mich betrügt. Ihr habt mir gesagt, Euch verirrt zu haben, aber Ihr lenkt Euer Pferd wie einer, der nicht nötig hat, den Weg zu suchen.«

»Und habt Ihr mich nicht ebenfalls betrogen, indem Ihr mir zu Fuß als ein Bauer entgegenkamt? Aber da ist die Herberge. Meine Diener haben das Essen bereitet.«

Der fränkische Ritter sprang vom Pferd und betrat mit dem Venezianer, dessen Einladung er annahm, den Saal der Gastwirtschaft. Das Essen wurde aufgetragen, und der französische Ritter bewies, daß er in Essen und Trinken nicht weniger Bescheid wisse als in klugen Reden: er aß für sieben, und wie oft er auch die Kannen leerte, trübte er damit doch nicht im geringsten die Klarheit seines Auges und seines Verstandes. Da sah der Venezianer, daß er es mit einem Kerl zu tun habe, der nicht nur das Herz, sondern auch die Leber auf dem rechten Fleck hatte.

Indem sie also zusammen becherten, versuchte er es, dem neuen Freund hinter seine Gedanken zu kommen. Aber er konnte sich bald überzeugen, daß es leichter gewesen wäre, dem Franzosen das Hemd vom Leibe, als die Würmer aus der Nase zu ziehen. Blieb ihm daher nichts andres übrig, als sich selber das Wams aufzuknöpfen und eingehend davon zu reden, wie die Dinge standen in Sizilien. Er sprach von König Leufried und seiner schönen Gemahlin, von den galanten Sitten des Hofes, wo man spanische, französische, italienische und andre hohe Herren in bevorzugten Stellungen antreffe; er sprach von Prinzessinnen, die ebenso reich seien wie vornehm und ebenso schön wie reich; er sprach von den ehrgeizigen Plänen des Königs, der sich mit dem Gedanken trug, Morea, Konstantinopolis, Jerusalem und alle Länder des Sultans in Asien und Afrika zu erobern; von den Staatsmännern des Königs, die es verstünden, die Blüte der ganzen christlichen Ritterschaft auf dieser Insel zusammenzuziehen, in der Absicht, die Herrschaft Venetiens zu brechen, das nicht einen Daumen breit Landes besaß, und Sizilien von neuem zur Königin des Mittelländischen Meeres zu erheben, was es schon einmal im Altertum gewesen war.

Er gestand, daß er es war, der dem König, bei dem er in großer Gunst stand, diesen Gedanken eingeflüstert, und sprach zuletzt davon, wie er trotz der königlichen Gunst und Gnade sich schwach fühle und voll Mißtrauen auf sein Glück, weil er allein sei und ohne Freunde. Über diese Lage nachdenkend, sei er ausgeritten, und da habe ihm der Himmel den Mann in den Weg gestellt, der nach seiner Meinung alles erfülle, um der Freund zu werden, nach dem er seit Jahren schon suche.

Forderte daraufhin den Franzosen auf, sich ihm als Bruder anzuschließen, und stellte ihm seine Börse und seinen Palast zur Verfügung. Wenn sie nur treu zusammenhielten, so schloß er seine Rede, Glück und Ruhm ehrlich teilten, keiner ein Geheimnis hätte vor dem andern und sich treulich unterstützten wie Waffenbrüder auf einem Kreuzzug, könnte es ihnen nicht fehlen, das Ziel ihrer kühnsten Wünsche zu erreichen, und da jener, der Franzose, das Glück suche, wozu er Unterstützung brauche, so hoffe er, der Venezianer, mit seinem Antrag nicht zurückgewiesen zu werden.

»Obwohl ich«, gab der Franzose zur Antwort, »in Wahrheit keines andern Menschen Beistand bedarf, da ich mich auf eine Sache verlassen kann, die stark genug ist, um mir alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, bin ich Euch dennoch dankbar, Herr Ritter Pezzara, für Euer freundliches Entgegenkommen und hoffe, daß Euch der Ritter Gautier von Montsoreau aus dem schönen Tourainer Land bald seinerseits zu Dank verpflichten wird.«

»Besitzt Ihr eine kostbare Reliquie, die Euch Euer Glück verbürgt?« fragte der Venezianer.

»Einen Talisman«, erwiderte der Mann aus dem Tourainer Land, »den mir meine Mutter schon in der Wiege mitgegeben und womit so gut Schlösser und Städte gebaut und zerstört werden wie mit dem Schwert, einen Hammer, um mir Münze zu schlagen nach Wohlgefallen, ein Heilmittel gegen alle Übel, einen Stab auf die Reise, für den ich nicht wenig erhalte, wenn ich ihn zum Pfand einsetzte, ein Werkzeug höchsten Ranges und unübertrefflicher Vollkommenheit, das in der rechten Schmiede geräuschlos wunderbare Arbeit vermag.«

»Beim Löwen von Sankt Markus«, rief der Venezianer, »Ihr scheint ein seltsames Mysterium unter Eurem Panzerhemd zu tragen!«

»Keineswegs«, entgegnete der Herr aus Frankenland, »es ist eine ganz natürliche Sache. Da seht selber.«

Und indem er sich erhob, um sich für die Nacht zu entkleiden, zeigte er dem Venezianer sein Werkzeug, und war dieses von solcher Vollkommenheit, wie der Venezianer im Leben nicht geschaut.

»Das ist mein Zauberstab«, sprach er, »der mir alle Hindernisse wegräumt, mein Schlüssel, der alle Frauenherzen aufschließt, und da die Frauen Königinnen sind an diesem Hof, kann es nicht fehlen, daß Euer Freund Gautier hier herrschen wird über kurz oder lang.«

Darauf gingen beide nach der Sitte der Zeit in demselben Bette zur Ruhe, und der Venezianer konnte sich lange nicht erholen von seinem Erstaunen über die geheime und verborgene Schönheit seines neuen Freundes, den seine Mutter und vielleicht auch sein Vater derart ausgestattet hatte, daß er überall siegen mußte, um so mehr, als er mit dieser prachtvollen Körperlichkeit den muntern Geist eines Pagen und die gesetzte Weisheit eines Alten verband.

Also schwuren sich beide ewige Kameradschaft, mit Geringschätzung aller Freundschaft der Frauen, sie schwuren sich, von nun an nur noch ein Gedanke zu sein, gleichsam nur noch ein einziger Kopf, und beglückt von ihrer Einigkeit und Brüderlichkeit, schliefen sie Seite an Seite auf demselben Kopfkissen. Denn so haben sich in jenen Zeiten die Sachen zugetragen.

Am andern Morgen schenkte der Venezianer seinem Bruder Gautier ein schönes Pferd, item eine Gürteltasche, ganz voll von kleinen und großen Münzen, item ein golddurchwirktes samtenes Wams mit seidenen Ärmeln nebst einem Mantel mit goldenen Spangen und Borten, welche Kleider sein stolzes Aussehen noch erhöhten, seine Schönheit erst ins rechte Licht setzten, wie denn der Venezianer nicht mehr zweifelte, daß dem Freund keine Dame werde widerstehen können. Seinen Dienern gab Pezzara Befehl, den Herrn Gautier zu bedienen als ihren eignen Herrn.

So ausgestattet, hielten beide ihren Einzug in Palermo. Es war zur Zeit, als gerade der König und die Königin lustwandelten in den Gärten des Schlosses, und Pezzara ergriff die Gelegenheit, seinen fränkischen Freund den fürstlichen Personen vorzustellen. Er rühmte solchergestalt die Verdienste des Tourainers, daß ihn der König aufs freundlichste empfing und sofort zur Mahlzeit zurückbehielt.

Mit einem Blick wurden dem fränkischen Ritter tausend Geheimnisse offenbar. Der König war ein Fürst voll Schönheit und Tapferkeit, und die Königin, mit dem heißen Geblüt der Spanierinnen, die schönste und stolzeste Dame des Hofes. Aber an einem melancholischen Zug um ihren Mund erkannte Gautier, daß sie vom König vernachlässigt werde, da, nach einem alten Tourainer Sprichwort, die Freude des einen Gesichts von der Freude des andern kommt. Pezzara bezeichnete seinem Freund Gautier mehrere Damen, denen Leufried ausgiebig den Hof mache, die wütig aufeinander seien in verliebter Eifersucht und sich überboten in weiblichen Liebespraktiken und galanten Erfindungen, um sich gegenseitig den Rang abzulaufen. Daraus entnahm Gautier, daß der König, obwohl er die schönste Frau der Welt sein eigen nannte, ein großer Hurer war vor dem Herrn, der gern alle Schönen seines Königreiches besessen hätte und seinen Gaul, als welcher bei immer gleichem Futter den Appetit verlor, am liebsten jede Nacht in einem andern Stall anband. Nachdem der Tourainer also das Treiben des Fürsten durchschaut und sich überzeugt hatte, daß niemand am Hofe je den Mut gefunden, die arme Königin aufzuklären, beschloß er bei sich in seinem Herzen, mit einem Schlag von dem Acker der schönen Hispanierin Beschlag zu nehmen und frech auf königlichem Feld seine Fahnenstange aufzupflanzen. Und folgendermaßen griff er es an.

Um dem fremden Ritter eine Höflichkeit zu erweisen, befahl der König, daß Herr Gautier zur Abendmahlzeit seinen Platz neben der Königin habe. Bot also Herr Gautier der Fürstin seine Hand und war darauf bedacht, in einem gewissen Abstand den andern voranzuschreiten, um gleich mit dem ersten Wort die Königin auf ein Thema zu bringen, das den Damen nie zuwider ist, von welchem Stand und Rang sie auch sein mögen. Ihr würdet es kaum glauben, wie er seine Worte wählte und wie geradewegs und kühn er auf sein Ziel losging.

»Frau Königin«, begann er, »ich weiß, warum Euer Angesicht so blaß ist.«

»Nun, warum?« fragte sie.

»Ihr seid so schön, und Euer ganzes Wesen fordert so ungestüm zur Liebe auf, daß der König Euch Tag und Nacht keine Ruhe gibt, keinen noch so kleinen Waffenstillstand gewährt in dem Krieg und Kampfspiel, die Gott Amor zwischen zwei Liebenden zu entzünden pflegt. Ihr mißbraucht aber Eure Macht über den armen König und werdet ihn in ein frühzeitiges Grab liefern.«

»Was kann ich denn tun«, sprach die Königin, »um ihn am Leben zu erhalten?«

»Ihm verbieten, mehr als dreimal täglich auf Eurem Altar zu opfern.«

»Ihr scherzt wohl, lieber Ritter, wie es so im Frankenland Sitte ist«, erwiderte die Dame; »der König hat mir erklärt, daß mehr als ein Opfer in der Woche schon den Tod nach sich zieht.«

»Er hat Euch getäuscht«, sprach Gautier, während er an der Tafel Platz nahm; »ich kann Euch im Gegenteil beweisen, daß die Liebe auf dem Altar einer Königin wie der gewöhnlichen Frauen täglich opfern muß und wiederholt, daß sie weder die Metten noch die Vesper, noch die Kompletorien, ein eingestreutes kleines Ave hie und da nicht zu zählen, versäumen darf, kurz, daß sie wie die frommen Mönche in ihren Klöstern allstündlich zur Andacht in Inbrunst bereit sein muß, und für Euch, Frau Königin, sollte die süße Litanei überhaupt niemals aufhören.«

Die Königin warf dem Ritter einen Blick zu, in dem mehr Wohlgefallen als Zorn ausgedrückt lag.

»In diesem Punkt«, sprach sie mit leisem Achselzucken und Kopfschütteln, »sind die Männer allzusammen große Lügner.«

»Ich habe im Gegenteil«, antwortete der Ritter, »eine große Wahrheit bei mir, die ich Euch auf Wunsch vorzeigen will. Und gern mache ich mich anheischig, mein Wort einzulösen, so daß Ihr in kurzer Frist viel verlorene Zeit einholen und reichlich sollt entschädigt werden für die Entbehrungen, die Euch der König auferlegt, der sich an andern zugrunde richtet, während alle Vorteile meiner Jugend allein zu Euern Diensten sein sollen.«

»Aber der König wird Euch den Kopf vor die Füße legen, wenn er von unserm Handel erfährt.«

»Und wenn das auch geschehen sollte, und schon nach der ersten Nacht, würde doch das Glück, was ich bei Euch gefunden, mehr als hundert Jahre Leben aufwiegen; denn wer auch alle Höfe der Welt gesehen, wäre doch niemals einer Fürstin begegnet, die sich an Schönheit mit Euch messen könnte. Und ist es nicht gleich, so oder so das Leben zu verlieren? Denn seht, wenn ich auch nicht durch das Schwert umkomme, bin ich doch fest entschlossen, mein Leben tropfenweise für Euch hinzugeben und in der Liebe zu Euch den Tod zu trinken, insofern man den Tod trinken kann an der Quelle, die der Ursprung des Lebens ist.«

Niemals hatte die gute Königin solche Reden gehört, und ihr könnt euch denken, daß sie wohlgefälliger darauf lauschte als auf die schönste Musik beim Hochamt. Das sah man an ihrem Gesicht, das sich mit einer sanften Röte überzog, weil die Worte des Ritters ihr Blut in höhere Wallungen versetzten, dergestalt, daß alle Saiten ihrer Laute vibrierten und zu einem Akkord zusammenklangen, der ihr Seele und Leib und alle Nerven durchzitterte. Denn so lag es in ihrer Natur. Sie war jung, schön, Königin, Spanierin, und sie sah sich getäuscht und elend hintergangen. Und wie sie die Höflinge um sich her verachten mußte, die geschwiegen hatten zu dem Verrat aus Furcht vor dem König! Sie beschloß, sich zu rächen, zu rächen mit Hilfe dieses tapferen Tourainers, der sich so unbekümmert um sein Leben zeigte, daß er es sorglos aufs Spiel setzte, indem er vor der Königin eine Sprache führte, die ihn töten mußte, wenn die Fürstin sich an ihre Pflicht erinnerte. Aber sie tat das Gegenteil, sie setzte die Spitze ihres Fußes auf den seinigen und drückte ihn in einer Weise, die nicht mißzuverstehen war.

»Teurer Ritter«, sagte sie laut, »ändern wir das Thema; es ist schlecht von Euch, eine arme Königin an ihrem schwächsten Punkt anzugreifen. Erzählt uns lieber etwas von den Sitten der Damen am Hofe von Frankreich.«

Diese Worte wollten dem Ritter sagen, daß die Sache abgemacht sei. Er begann darauf so lustige Geschichten und Schwänke zum besten zu geben, so kühne und tolle Abenteuer zu berichten, so witzige und spitzige Anekdoten zu erzählen und damit während der ganzen Mahlzeit den König, die Königin und alle Höflinge in solcher Kurzweil und Heiterkeit zu erhalten, daß der Fürst bei Aufhebung der Tafel laut gestand, seit lange keine so lustige Essensstunde verbracht zu haben.

Begab sich hierauf die ganze Hofgesellschaft in die Gärten, die die schönsten waren, so man auf der Welt finden konnte, und unter dem Vorwand einer besonderen Aufmerksamkeit und Höflichkeit führte die Königin den fremden Gast in einen Orangenhain, dessen Blüten einen süßen und bestrickenden Wohlgeruch verbreiteten.

»Schöne und edle Königin«, begann alsbald der fränkische Ritter, »ich habe in allen Ländern und an allen Höfen die Erfahrung gemacht, daß nichts der Liebe so gefährlich, ja tödlich ist als die verdammte höfische Komödie und Kurmacherei, die man dabei aufzuführen pflegt. Wenn Ihr also Vertrauen auf mich habt, so laßt uns handeln als zwei Menschen, die über alle Kleinlichkeiten erhaben sind, und von unsrer Liebe fernhalten alle unnützlichen Grimassen und Firlefanzereien. Auf solche Weise werden wir zugleich die äußere Gefahr vermeiden, allen Verdacht von uns ablenken und uns ungestört unsers Glückes erfreuen, solange es gehen mag. Dieser Art zu handeln ist allein einer Königin würdig, wenn sie nicht dazu verdammt sein will, die Liebe für immer zu entbehren.«

»Es scheint mir«, antwortete sie, »daß Ihr wohlgesprochen habt; aber ich bin Neuling und ohne Erfahrung, ich weiß nicht Mittel und Weg.«

»Habt Ihr unter Euern Frauen eine, auf die Ihr Euch verlassen könnt?«

»Ja«, erwiderte sie, »es lebt am Hofe eine Dame, die mit mir aus Hispanien herübergekommen ist und die sich auf einen glühenden Rost legte aus Liebe zu mir, wie Sankt Lorenz getan aus Liebe zu Gott; aber sie ist immer kränklich.«

»Und darum besucht Ihr sie hie und da?« fragte Gautier.

»Ja; manchmal sogar bei Nacht.«

»Welch ein Glück!« rief Gautier; »dafür werde ich der heiligen Rosalie, der Patronin von Sizilien, einen goldenen Altar stiften.«

»O Jesus«, rief die Königin aus, »so werde ich doppelt glücklich sein, da mein Herzgeliebter so fromm ist.«

»Ich bin es zwiefach, teure Herrin«, erwiderte er; »denn ich verehre eine Königin im Himmel und eine auf Erden, von denen zum Glück keine auf die andre eifersüchtig zu sein braucht.«

Diese galante Rede rührte die Königin über die Maßen, und wenig hätte gefehlt, daß sie sich zur Flucht entschlossen und mit dem leckeren Vogel davongeflogen wäre.

»Die Jungfrau Maria«, sagte sie, »ist mächtig im Himmel; möge ich es werden wie sie durch die Liebe.«

›Hm, sie reden von der Jungfrau Maria‹, sprach der König bei sich, der in die Nähe getreten war, um zu lauschen; denn ein sizilianischer Höfling, den die plötzliche Gunst des verfluchten Franken wurmte, hatte dem Fürsten den Floh der Eifersucht ins Ohr gesetzt.

Also nahmen die Königin und der Ritter ihre Maßregeln, und alles wurde aufs feinste eingefädelt, damit der König seinen neuen unsichtbaren Schmuck nicht länger entbehre.

Dann gesellte sich Gautier zur Hofgesellschaft, und alle fanden an ihm ein großes Wohlgefallen. Zurückgekehrt vom Hofe, erzählte er seinem Freund Pezzara, daß ihrer beider Glück gemacht sei und daß er morgen bei der Königin schlafen werde. Über diesen raschen Gang der Dinge war der Venezianer nicht wenig erstaunt; aber als guter Freund sorgte er für feine Spezereien, Brabanter Leinwand und kostbare Gewänder jeder Art, einer Königin würdig, und versah damit seinen geliebten Bruder.

»Oh, mein Freund«, sprach er, »bist du auch sicher, nicht auszugleiten auf dem schlüpfrigen Weg, sondern fest und aufrecht zu bleiben und der Königin solche Feste zu geben in ihrem Schlosse Garladin, daß sie sich für immer an deinem Stab halten und festklammern wird wie ein Schiffbrüchiger an einem Balken?«

»Da sei ohne Sorge«, antwortete lachend der fränkische Ritter; »ich verfüge über die Reserven und Ersparnisse der Reise, und ich will ihr so den Meister zeigen ohne Gnade und Pardon, wie wenn sie eine einfache Magd wäre, und will sie in alle Praktiken unsrer Tourainer Damen einweihen, die mehr von der Liebe wissen als alle andern, weil sie gar nichts sonst zu tun haben, und nur darum von Zeit zu Zeit damit aufhören, um immer wieder von vorn anzufangen. Aber verständigen wir uns. Auf folgende Weise werden wir die Herrschaft über diese Insel erlangen: Ich werde mich der Königin bemächtigen, du des Königs. In den Augen des Hofes müssen wir als Todfeinde erscheinen, und jeder muß für sich eine Partei bilden. So werden wir trennen, um zu herrschen. Du wirst meine Feinde aushorchen, ich die deinen, also daß es uns ein leichtes sein wird, ihre Anschläge zu vereiteln. In einigen Tagen muß darum ein heftiger Streit zwischen uns ausbrechen, und der Vorwand soll der sein, daß der König mich zurücksetzt und dir die höchste Gewalt überträgt; denn so will ich es mit Hilfe der Königin einfädeln und ausspinnen.«

Am andern Tag schlich sich Gautier zu jener Spanierin, nachdem er überall ausgesagt, daß er sie einst in Hispanien gut gekannt, und blieb acht volle Tage in ihren Gemächern. Jeder kann sich leicht denken, mit wem er hier zusammentraf. Der Tourainer bediente die Königin wie eine Frau, die man liebt, er führte sie in tausend unbekannte Länder der Liebe und überschüttete sie so mit überraschenden Verzückungen und verzückten Überraschungen, lehrte sie solche verliebte Tollheiten und solche tolle Verliebtheiten, daß sie schwur, nur die Franken verstünden, was Liebe sei. Solchergestalt wurde der König dafür gestraft, daß er seinen Weizen in fremden Scheunen ablud und auf dem königlichen Speicher die Spreu aufschüttete. Die Königin aber zeigte sich über die Maßen gerührt von dem unerschöpflichen Reichtum des Herrn von Montsoreau, der durch die Kraft und Fülle seiner Wunder ihre Weibheit quasi vom Tod erweckt hatte, und tat Gelübde, ihn zu lieben in Ewigkeit. Sie verabredeten, daß die hispanische Ehrendame immer krank bleiben und daß kein andrer Mann in ihr Geheimnis eingeweiht werden solle als der Leibmedikus der Königin, der seine Herrin über alles liebte. Durch einen seltsamen Zufall hatten die Stimmbänder seines Kehlkopfs auf ein Haar genau dieselbe Beschaffenheit wie die des Herrn Gautier, so daß infolge dieses Naturspiels die Stimmen der beiden nur schwer zu unterscheiden waren, worüber die Königin sich nicht genug verwundern konnte. Der Leibmedikus schwur bei seinem Leben, den Verliebten treu zur Seite zu stehen; denn längst hatte ihm die Verlassenheit und Verschmähtheit der armen Königin in der Seele leid getan, also daß er sich höllisch freute, endlich zu sehen, wie der Königin, was eine seltene Sache ist, königlich aufgewartet wurde.

Unterdessen war ein Monat verstrichen, und alles ging nach Wunsch der beiden Freunde. Auf geschicktes Betreiben der Königin wurde die ganze Regierungsgewalt von Sizilien allmählich dem Venezianer in die Hände gespielt, während Herr Gautier, den der König um seiner Weltkenntnis willen außerordentlich liebte, leer ausging, da die Königin gegen ihn als einen unwirschen und ungalanten Gesellen einen unbändigen Haß an den Tag legte und sich jeder Gunstbezeigung, die der König ihm zudachte, widersetzte. Als nun der erste Minister des Königs, der Herzog von Cataneo, in Ungnade fiel und Pezzara sein Nachfolger wurde, ohne sich auf dem Gipfel seiner Macht, so schien es, im geringsten an seinen Freund Gautier zu erinnern, schlug dieser einen großen Lärm an über die schwarze Undankbarkeit des Italieners und machte sich damit den gestürzten Cataneo und seinen ganzen Anhang für immer zu ergebenen Freunden. Um diese ganz in Vertrauen einzuwiegen, zettelte er mit ihnen zum Sturze Pezzaras eine heimliche Verschwörung an, und ihr könnt euch denken, wie ernst dieselbe von seiner Seite gemeint war.

Pezzara aber zeigte sich wie alle seine venezianischen Landsleute in der schweren Kunst des Regierens und allem, was damit zusammenhängt, als ein Meister ersten Ranges. Er bewirkte wahre Wunder in der Verwaltung des Königreichs. Er ließ die Häfen ausbessern und lockte durch seine liberalen Einrichtungen die Kaufleute der ganzen Welt herbei, wodurch Geld ins Land floß wie nie zuvor. Er versammelte Künstler aller Nationen in Palermo und veranstaltete Feste und Aufzüge von unerhörter Pracht, daß vom Morgen- und Abendland die Reichen der Erde herbeiströmten. Die Früchte des Landes und der Boden selber stiegen im Preis, der Weizen Siziliens wurde wieder bis nach Asien hin versandt, und der König Leufried galt bald für den glücklichsten König der Christenheit. Der Glanz seines Hofes überstrahlte alle andern Höfe. Dieses alles wurde bewirkt durch das vollkommene Einverständnis zweier Männer. Während der eine die Geschäfte des Staates im großen förderte, wichtige Unternehmungen einleitete, die bewaffnete Macht in Ordnung hielt und besonders darauf dachte, daß der königliche Schatz nie leer wurde, sorgte der andre für das Vergnügen der Herrschaften. Er hatte es längst erreicht, daß die Königin, die er auf tourainische Art bediente, den melancholischen Zug um ihren schönen Mund verlor, und ihre Augen strahlten von Schönheit und Glück. Aber auch der König kam nicht zu kurz. Gautier versorgte ihn mit mehr schönen Frauen, als das Jahr Tage hat, und riß ihn von einer Tollheit zur andern fort. Der gute König mußte sich nur über die Sanftmut seiner Gemahlin verwundern, an die er seit langer Zeit so wenig rührte wie der Jude an eine Speckschwarte.

Dieses gute Einvernehmen der beiden Freunde dauerte drei Jahre, andre sagen vier; aber sogar den Benediktinern ist es nicht gelungen, dieses historische Datum mit Sicherheit festzustellen, das darum wohl ungewiß bleiben wird für alle Zeiten, ebenso wie die Ursache des Zerwürfnisses der beiden Freunde.

Wahrscheinlich hatte der Venezianer den kühnen Ehrgeiz, seine Macht allein und ungeteilt auszuüben, wobei er die wichtigsten Dienste, die er dem fränkischen Edelmann verdankte, ganz und gar vergaß, wie es unter Hofleuten so Sitte ist, was bereits aus den Schriften des Herrn Aristoteles erhellt, der selber ein feiner Hofmann war und der da sagt, daß nichts so schnell veralte in dieser Welt als eine Wohltat, wenngleich auch oft die Liebe nur allzubald erkalte und ranzig werde.

Vertraute also der Venezianer einzig auf die große Freundschaft des Königs Leufried, der ihn seinen lieben Gevatter nannte und den er sich rühmen durfte ganz in der Tasche zu haben, und beschloß in seinem Herzen, sich des alten Freundes zu entledigen, indem er den König ein wenig aufklärte über das zufriedene Glück seiner Frau Königin, und ihn also an einer Stelle kitzelte, wo er, wie Pezzara wußte, über die Maßen empfindlich war. Träumte auch schon von nichts anderm mehr als von dem abgeschlagenen Kopf des Freundes (denn anders als so konnte ein derartiger Prozeß in Sizilien nicht ausgehen), und multiplizierte im Geist seine Reichtümer, die er unter Gautiers Mitwissen in einem genuesischen Bankhaus niedergelegt hatte und die er mit dem Ritter aus der Touraine teilen mußte, wenn er ihn nicht aus dem Wege räumte. Von Jahr zu Jahr schwoll dieser Reichtum mehr an. Ein großer Teil ergab sich aus den Geschenken der Königin, die von ihren spanischen Besitztümern und einigen Erbgütern in Italien her über beträchtliche Einkünfte verfügte und ihren Geliebten mit echt königlicher Freigebigkeit behandelte; der andre Teil stammte von der Großmut des Königs, der von den Erträgnissen der Handelszölle und andrer Abgaben dem begünstigten Minister ein wichtiges Teil überließ.

Pezzara mußte bei seinem verräterischen Plan, nachdem er sich einmal dazu entschlossen hatte, mit größter Vorsicht zu Werke gehen, denn der Herr von Montsoreau war der Mann, um den Feinsten zu verkaufen. Der Venezianer versprach darum dem Fürsten, daß er mit eignen Augen schauen solle; und eines Nachts, jedoch erst gegen Morgen, damit man besser sehe, führte er den Monarchen in das Schrankzimmer jener spanischen Dame, hinter dem er die Königin und ihren Geliebten im Schlafgemach der genannten Dame, die noch immer die Kranke spielte, in verliebtem Tun beisammen wußte. Denn die Königin liebte den Franzosen noch immer wie in der ersten Nacht. Die Spanierin, schon munter, hörte mit gespitzten Ohren die Tritte der beiden Männer, und durch einen Spalt des Verschlags, hinter dem sie schlief, sooft sie die eigne Kammer der Königin überließ, erkannte sie den König, wie er eben sich anschickte, durch ein Loch der Kammertüre, das der Venezianer heimlich hatte anbringen lassen, in das Schlafgemach hineinzublicken, wo die Königin sich ihres Freundes zwischen den Bettüchern erfreute, welches die beste Methode ist, sich eines Freundes zu erfreuen. Sie lief, um die Verliebten von dem Verrat zu benachrichtigen; aber der König hatte schon das Auge an dem verfluchten Loch.

Und was sah der König? Er sah jene göttliche Laterne, die so viel Öl verbrennt, dafür aber auch die ganze Welt erleuchtet, die mit Arabesken und kostbarem Laubwerk so wunderbar verziert ist und heißer flammt als eine und die er auf einmal schöner fand als alle andern, da er sie so lange nicht gesehen hatte.

Weiter konnte er durch die enge Öffnung nichts erkennen. Nur eine männliche Hand sah er noch, die schamhaft die Laterne bedeckte, und hörte die Stimme Gautiers: »Nun, wie geht es der Kleinen heute morgen?« Und hörte die Stimme noch andre zärtliche Worte sprechen, närrische, verrückte Worte, wie sie Liebende im Scherz gebrauchen, wenn sie von dieser Laterne reden, die die wahre Sonne der Liebe ist in allen Ländern und der sie darum tausend Kosenamen geben und sie vergleichen oder gleichsetzen allen schönen Dingen dieser Erde. Sie nennen sie und reden sie an: mein Granatapfel, meine Rose, meine Muschel, mein Zuckerschneck, mein süßes Mäuschen, mein Schatzkämmerlein, Ankergrund meiner Liebe … Ja, noch ketzerlichere und fast gotteslästerliche Ausdrücke gebrauchen einige. Fragt nur, wenn ihr mir nicht glauben wollt!

Unterdessen war die Spanierin herbeigeschlichen und gab durch Zeichen zu verstehen, daß der König da sei.

»Horcht er?« fragte die Königin.

»Ja!«

»Späht er?«

»Ja!«

»Wer hat ihn hergeführt?«

»Pezzara.«

»Rufe mir den Hofmedikus und bringe Gautier unverzüglich nach seinen Gemächern.«

Und in weniger Zeit, als ein Armer gebraucht hätte, um sein Vaterunser zu beten, hüllte die Königin ihre Laterne so in blutiges Verbandzeug, daß man glauben mußte, sie leide an einer Wunde und bösartigen Entzündung. Der König aber, voll Wut über das Gehörte, drückte jetzt die Tür ein und erschien gleichzeitig mit dem Arzneikünstler in der Kammer. Er fand die Königin noch in derselben Lage, wie er sie durch den Spalt gesehen, und der Meister Physikus, die Hand auf dem Verband, sagte scherzend: »Na, wie geht es der Kleinen heute morgen?« Und was sonst dergleichen Worte mehr sind, womit die Herren Medikusse den Frauen gegenüber sich lieb Kind machen und in Zierlichkeiten der Rede verfallen, indem sie Zierlichkeiten behandeln. Seine Stimme war die gleiche wie diejenige, die der König zuvor gehört hatte.

Das machte den Fürsten kleinlaut. Er stand da wie ein ertappter Dieb. Die Königin aber, rot vor Scham, richtete sich auf und fragte mit zorniger Entrüstung, was für ein Mann es wage, zu einer solchen Stunde vor ihr zu erscheinen. Und den König erblickend, brach sie in heftige Klagen und Beschuldigungen aus.

»Ah, gestrenger Herr«, rief sie, »Ihr entdeckt nun, was ich Euch seit langer Zeit und mit soviel Sorgfalt zu verhehlen suchte. Erratet Ihr, was die Ursache meines Übels sei? Scham und Stolz verbieten mir, davon zu sprechen, wie von den Verbänden und Medizinen, bestimmt, das entzündete Geblüt zu beruhigen und zu verteilen. Seht, um meine Ehre und die Eurige zu schonen, war ich genötigt, die häßliche Krankheit bei meiner guten Donna Miraflor Euch und der Welt zu verbergen.«

Auch der Meister Physikus sagte sein Sprüchlein. Mit hundert lateinischen Zitationen, die er wie Körner einer göttlichen Weisheit aus den Schriften des Hippokrates, des Galenus, der Schule von Salerno und andern ausgezogen hatte, demonstrierte er dem König, wie das Brachliegen des Campi veneris immer von ärgerlichen Konsequenzen und fatalen Erscheinungen begleitet sei, die bei einer Königin mit spanischem Geblüt doppelt gefährlich wären und bei eintretenden Komplikationen sogar zum Tode führen könnten. Das alles trug er mit einer langsamen und hochernsten Feierlichkeit vor und fand immer neue Argumente und Zitate, um dem Herrn Gautier Zeit zu lassen, sich in seiner Kammer einzuriegeln. Darauf nahm die Königin noch einmal das Wort und dann den Arm des Königs, um, wie sie sagte, die kranke spanische Dame nicht zu inkommodieren, die sonst die Königin, um ärgerlichem Gerede vorzubeugen, in ihre Gemächer zurückzugeleiten pflegte. Als sie durch den Korridor schritten, an dem die Gemächer des Herrn Gautier lagen, scherzte die Königin:

»Ihr solltet«, sagte sie zum König, »diesem Herrn von Montsoreau einen Schabernack antun. Ich wette, daß er nicht zu Hause ist, sondern irgendwo zwischen den Tüchern einer schönen Dame steckt. Er wird uns noch eine rechte Stänkerei anrichten. Wenn man mir gefolgt hätte, wäre er längst nicht mehr auf der Insel.«

Leufried trat rasch bei Gautier ein und fand ihn im tiefsten Schlaf, schnarchend wie ein Domherr in seinem Chorstuhl. In ihren Gemächern angelangt, hielt die Königin mit allen Mitteln ihren Herrn Gemahl bei sich zurück und schickte heimlich einen Pagen ab, um den Herzog von Cataneo herbeizurufen. Sie saß noch mit dem König beim Frühstück, als man ihr zuflüsterte, der Herzog harre ihres Befehles. Unter einem leichten Vorwand trat sie in den Saal hinaus.

»Mein lieber Herzog«, sprach sie, »laßt sofort auf der Bastei einen Galgen errichten und daran den Pezzara aufhängen, ohne daß er Zeit findet, schriftlich oder mündlich ein Wort an den König zu richten. Tel est notre bon plaisir, so befehlen wir es Euch.«

Cataneo machte keinen Kommentar zu dieser Rede. Er ließ Pezzara ergreifen, der gerade wieder davon träumte, wie der König dem von Montsoreau den Kopf vor die Füße legte. Er wurde auf die Bastei geschleppt, wo er im Fensterkreuz der Königin seinen alten Freund Gautier, den König, die Königin und alle Hofleute erblickte, welcher Umstand dem unglücklichen Venezianer den augenscheinlichen Beweis lieferte, daß ein Mann besser daran tut, es mit der Königin zu halten als mit dem König.

»Mein Freund«, sprach die Königin, indem sie ihren Gemahl in die Fensternische zog, »dort seht Ihr den Verräter, der Euch das Liebste nehmen wollte, das Ihr auf der Welt besitzt; die Beweise dafür werde ich Euch in die Hand geben, sobald Ihr Zeit haben werdet, sie mit Muße zu studieren.«

Da sah auch Gautier die Vorbereitungen zu der schauerlichen Zeremonie. Er warf sich dem König zu Füßen und bat um Gnade für den, der sein Todfeind war, wovon der König sehr gerührt wurde.

»Herr von Montsoreau«, sprach die Königin und zeigte ihm ihr zornigstes Gesicht, »Ihr seid sehr kühn, daß Ihr Euch unserm Wunsch und Willen zu widersetzen wagt!« Der König nötigte den Herrn Gautier, sich zu erheben.

»Ihr seid ein braver Ritter«, sagte er, »aber Ihr habt keine Ahnung, welche schwarze Verräterei der Venezianer gegen Euch angesponnen hat.«

Also wurde Pezzara zwischen Kopf und Schulter sanft zu Tode gekitzelt, während die Königin ihrem Gemahl dessen Untreue aufdeckte und durch einen Lombarden aus der Stadt die ungeheuren Summen nachrechnen ließ, die der Günstling auf der Bank von Genua niedergelegt hatte und die hierauf der Fürst dem Tourainer schenkte.

Die schöne und stolze Königin aber fand nicht lange darauf einen harten Tod, wie es in der Geschichte beider Sizilien zu lesen ist. Sie starb nämlich an den Folgen einer schweren Entbindung, wobei sie einem Sohn das Leben schenkte, der ein großer Mann, aber in allen seinen Unternehmungen sehr unglücklich wurde. Der König ließ sich von seinem Hofmedikus leicht überzeugen, daß der Tod seiner Frau in dem verdorbenen Blut der Königin seine Ursache hatte, als welches wieder die Folge war von ihrer langen Enthaltsamkeit und Keuschheit; er fühlte sich darum in hohem Grade schuldig an dem beklagenswerten Ende der tugendsamen Königin und gründete zur Buße und Genugtuung die Madonnenkathedrale, die noch heute die schönste Kirche von Palermo ist. Als der Herr von Montsoreau die Zerknirschung des Königs sah, sagte er ihm offen heraus die Meinung.

Wenn ein König, so ungefähr lautete seine Rede, sich eine Hispaniolin zur Frau nehme, so müsse er wissen, daß er in ihrem Dienst nicht nachlässig sein dürfe, sintemal die Frauen dieses Landes von einem so heißen Geblüte wären, daß ihrer eine soviel Sorgsamkeit verlange als zehn andre; wenn er aber eine Frau wolle, einfach um sie als Monstranz vor dem Volke aufzustellen, so möge er sie sich aus dem nördlichen Deutschland verschreiben, wo die Frauen herb und frisch sind wie Holzbirnen. Der brave Ritter kehrte mit reichen Gütern nach der Touraine zurück, wo er schöne Tage verlebte, ohne über sein Glück in Sizilien das geringste auszuplaudern. Als der Sohn des Königs seinen berühmten Zug gegen Neapel unternahm, eilte er herbei, um ihm seine Dienste anzubieten, verließ aber Italien von neuem, als der unglückliche Fürst auf den Tod verwundet worden, wie es in den Chroniken zu lesen ist.

Außer der wichtigen Wahrheit, die in dieser Geschichte zwischen den Zeilen steht und welche wir so ausdrücken wollen, daß das Glück immer ein Weibsen ist und darum öfter von der Frau als vom Manne kommt, daher den Männern mit Recht Frauendienst über Herrendienst geht – lernen wir aus dieser Historie, daß wahrlich die Verschwiegenheit neun Zehntel aller Weisheit ausmacht. Überdies hat der Mönch, der uns diese schöne Historiam überliefert, noch eine weitere und nicht weniger beherzigenswerte Wahrheit hinzugefügt: daß nämlich die Freundschaften, die man um des Vorteils willen schließt, um des Vorteils willen auch wieder gebrochen werden. Möge der Leser von den drei Moralen die auswählen, die ihm am besten in seinen Kram paßt.