Brief 40. Usbek an Ibben.
Sobald ein Großer gestorben ist, versammelt man sich in einer Moschee und hält ihm die Leichenrede, d. i. eine Rede zu seinem Lobe, bei der man aber sehr in Verlegenheit sein würde, das Verdienst des Verstorbenen daraus genau zu erkennen.
Ich möchte den Pomp beim Leichenbegängnis beseitigen. Man muß die Menschen bei ihrer Geburt beweinen, nicht bei ihrem Tode! Wozu dienen die Zeremonien und der ganze düstere Aufzug, den man bei einem Sterbenden in seinen letzten Augenblicken veranstaltet, sogar die Tränen seiner Angehörigen und die Schmerzensäußerungen seiner Freunde – wozu dienen sie anders, als für seine eigene Vorstellung. den Verlust zu übertreiben, der ihm bevorsteht?
Wir sind so blind, daß wir nicht wissen, wann wir trauern, wann wir uns freuen sollen. Wir haben fast immer nur falsche Trauer oder falsche Freuden.
Wenn ich den Großmogul sehe, der sich alljährlich auf eine Wage begibt, um sich wie ein Stück Rind wiegen zu lassen, wenn ich sehe, wie seine Völker sich darüber freuen, daß ihr König materiell zugenommen hat. d. h. um ebensoviel unfähiger geworden ist, zu regieren, dann, Ibben, ergreift mich ein tiefes Mitleid mit der menschlichen Verblendung.