Jack London

Bastard war ein Teufel. Darüber war sich das ganze Nordland einig. »Ein Höllensproß« nannten ihn viele von den Männern, aber sein Herr, der Schwarze Leclère, wählte für ihn den entwürdigenden Namen »Bastard«. Nun war der Schwarze Leclère freilich selbst ein Teufel, und somit paßten beide ganz vorzüglich zueinander. Es gibt ein altes Wort, das sagt: »Kommen zwei Teufel zusammen, muß die Hölle den Spaß bezahlen.« Das stimmt auch sicher, und es stimmte auf jeden Fall, wenn der Schwarze Leclère und Bastard zusammen waren. Als sie sich das erste Mal trafen, war Bastard erst ein halbwüchsiges Hündchen, mager und verhungert, mit bösen Augen. Und sie begegneten sich mit Knurren und Zähnefletschen, mit feindseligen Blicken, denn Leclères Oberlippe hatte eine wölfische Art, sich zu heben, daß man die grausamen weißen Zähne sah. Und sie hob sich, und die Augen funkelten bösartig, als er die Hand nach Bastard ausstreckte und ihn aus dem Wurf herauszog. Es ist gar kein Zweifel, daß die beiden sich durchschauten, denn im selben Augenblick hatte Bastard seine Milchzähne Leclère in die Hand gebohrt, während der Mann kaltblütig mit Daumen und Zeigefinger das junge Leben aus dem Hündchen herauspreßte.

»Sacredam«, sagte der Franzose leise und schleuderte die Blutstropfen von der gebissenen Hand. Er blickte auf den kleinen Hund, der hustend und nach Luft schnappend im Schnee lag.

Leclère wandte sich an John Hamlin, den Lagerverwalter der Station Sixty Miles. »Das mir eben gefallen an ihm. Wieviel Sie wollen ‘aben, M’sieu? Wieviel? Ick kaufen ihn, jetzt, gleich. Ick kaufen ihn schnell.« Und weil er Bastard haßte, mit einem außerordentlich bitteren Haß, kaufte Leclère ihn und gab ihm diesen schimpflichen Namen. Und fünf Jahre lang durchwanderten die beiden das Nordland, von St. Michaels und dem Delta des Yukon bis zu den Quellen des Pelly, ja bis zum Friedensfluß, Athabasca und dem Großen Sklavensee. Und sie erwarben sich allmählich den Ruf unversöhnlicher Bosheit in einem Maße, wie weder Männer noch Hunde ihn je gekannt haben.

Bastard hatte seinen Vater nie gekannt – daher sein Name. Aber soviel John Hamlin wußte, war sein Vater ein großer grauer Wolf gewesen. Die Mutter Bastards jedoch war – wie er sich dunkel entsann – eine mürrische, streitsüchtige, garstige, räudige Hündin mit breiter Stirn, schwerer Brust, boshaftem Blick und katzenartiger Zähigkeit gewesen. Sie war ein wahres Genie, wenn es Tücke und Bosheit galt. Weder Treue noch Zuverlässigkeit war bei ihr zu finden. Man konnte nur mit ihrer Unzuverlässigkeit rechnen, und ihre Liebesabenteuer in den Wäldern bestätigten den Ruf ihrer Verdorbenheit. Es war Kraftvolles, aber auch viel Böses in diesen Erzeugern Bastards gewesen, und als Knochen von ihren Knochen, Fleisch von ihrem Fleisch hatte er alles geerbt. Und dann kam der Schwarze Leclère, um seine Hand auf dieses bißchen pulsierenden Hundelebens zu legen, um es zu drücken und zu reizen und zu gestalten, bis es zu einem großen, aufgeregten Köter wurde, zu jedem Schelmenstück bereit, überströmend von Haß, finster, boshaft und teuflisch. Mit einem anständigen Herrn wäre Bastard vielleicht ein gewöhnlicher, vielleicht besonders leistungsfähiger Schlittenhund geworden. Aber diese Möglichkeit hatte er nicht. Leclère bestärkte ihn nur in seiner Bosheit, die der seinen verwandt war.

Die Geschichte von Bastard und Leclère ist die Geschichte von einem Kriege – der fünf grausame, hartnäckige Jahre dauerte, von denen ihr erstes Zusammentreffen ein treffendes Bild gab. Anfangs war es natürlich Leclères Schuld, denn er haßte mit Klugheit und Ueberlegung, während der langbeinige, plumpe junge Hund nur blindlings und instinktiv ohne Verstand und System haßte. Und in der ersten Zeit gab es auch keine verfeinerte Grausamkeit (die sollte sich erst später entwickeln), sondern einfache Prügeleien und rohe Brutalitäten. Bei einer dieser Gelegenheiten wurde Bastard das Ohr verstümmelt. Er gewann nie wieder die Herrschaft über die zerrissenen Muskeln, und von jetzt an hing das Ohr schlaff herab, als ob es die Erinnerung an den Quälgeist lebendig halten wollte. Und Bastard vergaß ihn auch nie.

Seine Jugend war eine Zeit törichter Aufsässigkeit. Er wurde stets besiegt, fing aber immer wieder an, weil es in seinem Wesen lag, einen Angriff zu erwidern. Und er war nicht klein zu kriegen. Kläffte er auch schrill, wenn er mit einem Stock oder einer Peitsche verprügelt wurde, so gelang es ihm doch, das höhnische Knurren, die bitterrachsüchtige Drohung seiner Seele, auszustoßen, die ihm unweigerlich eine neue Serie von Schlägen und Fußtritten verschaffte. Aber hierin enthüllte sich die Lebenszähigkeit seiner Mutter. Nichts in dieser Welt war imstande, ihn zu besiegen. Er blühte buchstäblich im Elend, wurde fett und rund, wenn er hungerte, und sein furchtbarer Kampf ums Leben erzeugte allmählich eine fast übernatürliche Intelligenz. Er besaß die ganze Tücke und Schlauheit seiner räudigen Mutter und den Grimm und die Kraft des Wolfes, der sein Vater war.

Vielleicht war es auch eine Erbschaft von seinem Vater her, daß er nie bellte. Sein welpenhaftes Gekläff hörte mit seiner Langbeinigkeit auf, und er wurde grimmig und schweigsam, schnell im Kämpfen, langsam im Warnen. Er beantwortete Flüche mit Knurren und Schläge mit Schnappen. Er grinste, während er vor unversöhnlichem Haß glühte. Aber nie mehr, nicht einmal im furchtbarsten Schmerz, gelang es Leclère, ihm einen Schrei der Furcht oder der Qual zu entreißen. Dieser Starrsinn jedoch reizte nur Leclères Zorn und trieb ihn zu noch ärgeren Gemeinheiten.

Wenn Leclère Bastard nur einen halben Fisch, seinen Kameraden aber einen ganzen gab, ging Bastard sofort auf die anderen Hunde los, um ihnen ihre Fische wegzunehmen. Er plünderte auch Depots und verriet seine Natur durch eine Unzahl kleiner Schurkereien, bis er ein Schrecken für alle Hunde und alle Hundebesitzer wurde. Als Leclère Bastard verprügelte und Babette streichelte – Babette, die nicht halb soviel Arbeit leistete wie Bastard – stürzte Bastard sich auf sie, schleuderte sie in den Schnee und zermalmte ihre Hinterpfote zwischen seinen Zähnen, so daß Leclère sich genötigt sah, sie zu erschießen. In ähnlichen blutigen Kämpfen machte sich Bastard zum Herrn aller seiner Kameraden des Gespanns, bestimmte die Gesetze unterwegs und bei der Fütterung und zwang sie, nach den Gesetzen zu leben, die er gab.

In fünf Jahren hörte er nur ein einziges Mal ein freundliches Wort, fühlte er nur einmal ein liebevolles Streichen einer Hand, und dann bekam er keine Gelegenheit mehr, zu erfahren, was das eigentlich für Dinge waren. Er sprang wie das wilde Tier, das er eigentlich war, auf die freundliche Hand los, und seine Kiefer schnappten wie ein Blitz zu. Der Missionar in Sunrise, der erst kürzlich ins Land gekommen war, war es, der ihm dieses freundliche Wort sagte und ihn sanft streichelte. Aber es vergingen mehr als sechs Monate, bevor der Mann imstande war, einen Brief nach seiner Heimat zu schreiben, und der Chirurg in Mc Question wanderte zweihundert Meilen weit über das Eis, um ihn von einer Blutvergiftung zu retten.

Männer und Hunde, alle blickten Bastard schief an, wenn er in ihr Lager oder ihre Stationen kam. Die Männer begrüßten ihn mit drohend zum Tritt erhobenen Füßen, die Hunde mit gesträubtem Nackenhaar und gefletschten Zähnen. Einmal versetzte ein Mann Bastard einen Fußtritt, und mit einem schnellen Wolfsbiß schloß Bastard seine Kiefer wie eine Falle um die Wade des Mannes und durchbiß sie bis zum Knochen. Worauf der Mann den Hund töten wollte. Aber der Schwarze Leclère warf sich mit drohenden Augen und gezücktem Jagdmesser dazwischen. Bastard zu töten – ah, sacredam, das war ein Vergnügen, das Leclère sich selbst vorbehielt. Eines schönen Tages würde es schon geschehen . . . oder auch – bald, wer konnte so etwas im voraus wissen? Irgendwie würde das Problem schon seine Lösung finden.

Denn sie waren wirklich Probleme füreinander geworden. Jeder Atemzug, den einer von ihnen tat, war wie eine Herausforderung für den anderen. Ihr Haß verband sie, wie Liebe es nie hätte tun können. Leclère sehnte sich nach dem Tage, da Bastard seinen Mut verlieren, auf dem Bauch kriechen und ihm winselnd zu Füßen liegen sollte. Und Bastard – Leclère wußte genau, welche Gedanken Bastard in dieser Beziehung hegte, und er las sie mehr als einmal in den Augen des Tieres. Und so deutlich hatte er sie dort gelesen, daß er es sich zur Gewohnheit machte, immer wieder einen Blick über die Schulter zurückzuwerfen, wenn er wußte, daß Bastard hinter ihm ging.

Man wunderte sich oft, daß Leclère hohe Angebote für den Hund ablehnte. »Eines schönen Tages werden Sie ihn doch töten, und dann kriegen Sie gar nichts für ihn«, sagte John Hamlin einmal, als Bastard keuchend in einer Ecke lag, wohin Leclère ihn mit einem Fußtritt geschleudert hatte. Niemand wußte, ob ihm nicht die Rippen gebrochen waren. Und dennoch hatte keiner den Mut, hinzugehen und ihn zu untersuchen.

»Das«, sagte Leclère trocken, »das ist meine Sache, m’sieur.«

Und ebenso sehr wunderte man sich, daß Bastard nie weglief. Das begriffen die Leute einfach nicht. Leclère aber verstand es. Er war ein Mann, der sehr viel im Freien, in der Wildnis lebte, wo keine Menschenstimme zu hören ist, und er hatte die Stimmen des Windes und des Sturmes, das Seufzen der Nacht, das Flüstern der Dämmerung, das Gepränge des Tages kennengelernt. Auf Wegen, wo nichts zu sehen war, konnte er das Wachsen des Grases, das Rieseln der unterirdischen Bäche, das Aufspringen der Knospen hören. Und er verstand die geheimnisvolle Sprache von allem, das sich regt: wenn das Kaninchen leise in der Falle klagte, wenn der mürrische Rabe mit dumpfen Flügelschlägen durch die Luft flog: wenn die weißschimmernde Tücke durch den Mondschein schlich, oder wenn der Wolf, einem grauen Schatten gleich, zwischen Dämmerung und Finsternis dahinglitt. Und zu ihm sprach Bastard offen und klar. Leclère verstand voll und ganz, warum Bastard nicht weglief und warf um so öfter wachsame Blicke über die Schulter zurück.

Im Zorn bot Bastard durchaus keinen schönen Anblick. Mehr als einmal war er nach der Kehle Leclères gesprungen, um wimmernd und halb bewußtlos in den Schnee geschleudert zu werden – und zwar mit dem dicken Ende der stets bereit gehaltenen Hundepeitsche. So lernte Bastard, ruhig zu warten, bis sein Augenblick kam. Als er in seiner vollen Kraft und in seiner besten Jugend war, glaubte er, daß diese Stunde gekommen wäre. Er hatte eine breite Brust und mächtige Muskeln, war bedeutend größer als Hunde im allgemeinen, und sein Hals war vom Kopf bis zu den Schultern wie von einer gesträubten Mähne bedeckt. Er sah vollkommen wie ein reinblütiger Wolf aus. Leclère schlief in seinem Schlafsack, als Bastard glaubte, daß der rechte Augenblick gekommen wäre. Verstohlen kroch er zu ihm hin, den Kopf tief am Boden, das eine bewegliche Ohr zurückgelegt und so leise wie eine Katze. Bastard atmete ganz ruhig, und erst als er dicht bei dem Mann war, wagte er den Kopf zu heben. Einen Augenblick blieb er stehen und blickte die bronzefarbene, stierhafte Kehle an, die nackt und knotig war und sich in ruhigen, tiefen Atemzügen hob und senkte. Der Geifer tropfte bei diesem Anblick an den Zähnen Bastards herab und glitt von der Zunge auf den Boden, und gleichzeitig erinnerte er sich seines herabhängenden Ohrs, der unzähligen Schläge und des unerhörten Unrechts, das ihm angetan worden war. Und ohne einen Laut sprang er auf den schlafenden Mann los.

Leclère wachte auf, als die Zähne sich in seine Kehle bohrten. Und da er ein vollendetes Tier war, erwachte er mit klarem Gehirn und Bewußtsein und war sich der Lage vollkommen bewußt. Er schloß beide Hände um die Kehle des Hundes und wälzte sich aus seinen Pelzdecken heraus, um sein Gewicht nach oben zu bringen. Aber Tausende von Vorvätern Bastards hatten sich in den Kehlen unzähliger Elche und Renntiere verbissen und sie zu Boden gezerrt, und er hatte die Weisheit seiner Vorfahren geerbt. Als Leclère sein ganzes Gewicht auf ihn legte, stemmte er die Vorderlänge nach oben und riß Brust und Bauch des Mannes durch Haut und Muskeln hindurch auf. Und als er merkte, daß der Körper des Mannes, der auf ihm lag, zuckte und sich hob, zerrte er die Kehle, die er zwischen den Zähnen hatte, hin und her. Seine Kameraden vom Gespann schlossen einen knurrenden Kreis um die beiden, und während Bastard seinen Atem schwächer werden und sein Bewußtsein schwinden fühlte, wußte er, daß ihre Mäuler nur nach seinem Fleische gierten. Aber alles das spielte für ihn keine Rolle – es war der Mann, der auf ihm lag, den er vernichten wollte, und er kratzte, riß und zerrte und schüttelte, bis die letzte Unze von Kraft in ihm verbraucht war. Leclère hingegen würgte ihn mit beiden Händen, bis die Brust Bastards keuchte und schmerzte, weil ihm die Luft ausging und seine Augen glasig und starr wurden, seine Kiefer sich langsam lösten und die Zunge blau und geschwollen zum Maul heraushing.

»Nun? Bon, du Teufel!« gurgelte Leclère, dem die Kehle von Haaren und vom eigenen Blut verstopft war, als er den bewußtlosen Hund wegschleuderte.

Und dann verscheuchte er die anderen Hunde, die über Bastard hergefallen waren. Sie zogen sich in einen größeren Kreis zurück, wo sie wachsam und mit gesträubten Haaren niederkauerten und sich die Mäuler leckten.

Bastard erholte sich bald wieder, und kaum hörte er Leclères Stimme, so kam er mühselig und taumelnd auf die Beine.

»Ah, du großer Teufel!« sprudelte Leclère hervor. »Ick werden dir schon kriegen, werden dir tüchtik kriegen, bei Gott!«

Obgleich die Luft seine erschöpfte Lunge noch wie Wein biß, sprang Bastard dem Mann gerade ins Gesicht, aber seine Kiefer griffen fehl und schlugen mit metallischem Klang aufeinander. Dann kollerten beide in den Schnee, während Leclère wie ein Verrückter mit seinen Fäusten draufloshieb. Endlich trennten sie sich, standen Auge in Auge da. Dann begannen sie sich zu umkreisen. Leclère hätte sein Messer ziehen können. Und sein Gewehr lag zu seinen Füßen. Aber das Tier in ihm war erwacht und wütete. Er wollte die Sache mit seinen Händen – oder mit den Zähnen austragen. Bastard sprang wieder an, aber Leclère schlug ihn mit einem Hieb seiner Faust zu Boden, warf sich auf ihn und bohrte seine Zähne bis zum Knochen in die Schulter des Hundes.

Es war die Kampfweise längst vergangener Tage, und der ganze Auftritt war demgemäß – wie man ihn vielleicht in der wilden Jugend unserer Welt gesehen haben mag. Eine offene Lichtung im dunklen Wald, ein Ring von grinsenden Wolfshunden, und in der Mitte zwei Tiere, die in wilder Wut knurrten und nacheinander schnappten, sich im Kampf verschlangen, keuchend, schluchzend, fluchend in unbezähmbarer Leidenschaft, in mörderischer Wut kratzend und zerrend und beißend in elementarer Bestialität.

Aber Leclère traf Bastard mit einem Hieb seiner Faust hinter das Ohr, daß der Hund hinfiel und einen Augenblick betäubt liegenblieb. Dann sprang Leclère mit den Füßen auf ihn hinauf, sprang auf ihm herum und versuchte, ihn auf den Boden zu pressen. Als Leclère endlich eine Pause machte, um Atem zu schöpfen, waren beide Hinterläufe Bastards gebrochen.

»A–ah!« schrie er nur, da die völlige Kraftlosigkeit von Hals und Kehlkopf ihm das Sprechen unmöglich machte. Und er schüttelte seine Faust.

Aber Bastard war unbesiegbar. Er lag als eine hilflose Masse da, zog aber doch die Lippen ein wenig zurück, um das Knurren anzudeuten, das vernehmlich zum Ausdruck zu bringen, er nicht die Kraft hatte. Leclère gab ihm einen Fußtritt, und die erschöpften Kiefer schlossen sich um die Fußgelenke des Mannes, waren aber nicht mehr imstande, die Haut zu durchbeißen.

Da nahm Leclère die Peitsche und begann ihn fast zu Fetzen zu schlagen. Und bei jedem Hieb rief er: »Diesmal ick zermalme dir! Ah, bei Gott, ick zermalme dir!«

Schließlich brach er selbst, erschöpft und vom Blutverlust halb ohnmächtig, zusammen und fiel neben sein Opfer. Und als die Wolfshunde sich näherten, um sich zu rächen, zog er mit dem letzten Rest von Bewußtsein seinen Körper näher an Bastard heran und legte sich über ihn, um ihn vor den Zähnen der Gegner zu schützen.

Das geschah nicht weit von Sunrise, und als der Missionar einige Stunden später seine Tür Leclère öffnete, wunderte er sich, daß Bastard nicht vorgespannt war. Und sein Erstaunen wurde nicht geringer, als Leclère die Persenning vom Schlitten nahm, Bastard in seine Arme hob und mit ihm über die Türschwelle stolperte. Zufällig war der Chirurg von Mc Question, ein halber Vagabund, zu einem Plauderstündchen gekommen, und gemeinsam wollten die beiden darangehen, Leclère zusammenzuflicken.

»Merci non«, sagte Leclère. »Macken Sie erst den Hund in Ordnung. Sterben? Non. Es ist langweilig. Aber seinetwegen müssen ick doch mal kaputt gehen. Aber tun Sie, was Sie können, daß er nickt sterben.«

Der Chirurg nannte es ein Wunder, der Missionar ein Mirakel, daß Leclère trotz allem durchkam. Aber so geschwächt war er, daß das Fieber ihn im Frühling packte und er sich wieder auf den Rücken legen mußte. Bastards Zustand war noch schlimmer gewesen, aber seine Zähigkeit überwand alles, die Knochen seiner Hinterläufe wuchsen wieder zusammen, und seine Organe heilten von selbst, aber er war ebenfalls wochenlang an das Lager gefesselt. Und als Leclère, der sich endlich auf dem Wege der Besserung befand, vor der Tür der Hütte sitzen und die Sonne genießen konnte, hatte Bastard sich schon seine Machtstellung unter seinen Artgenossen zurückerobert und nicht allein seine Schlittenkameraden, sondern auch die Hunde des Missionars unterjocht.

Er rührte weder eine Muskel, noch sträubte sich ihm ein einziges Haar, als Leclère zum erstenmal am Arm des Missionars herausgewankt kam und langsam mit unendlicher Vorsicht auf den dreibeinigen Stuhl sank.

»Bon«, sagte Leclère. »Bon! Die gute Sonne!« Und er streckte seine ausgezehrten Hände aus und ließ sie von der Sonne bescheinen.

Dann fiel sein Blick auf den Hund, und das alte Licht flammte wieder in seinen Augen auf. Er legte die Hand leicht auf den Arm des Missionars. »Mon père«, sagte er. »Er sei ein böser Teufel, dies Bastard. Gebben Sie mir bitte, ein Revolver, daß ick die Sonne in Ruhe genießen kann.«

Seitdem saß er viele Tage vor der Tür in der Sonne. Er schlief nie, und der Revolver lag immer in seinem Schoß. Bastard hatte eine merkwürdige Art, jeden Tag als erstes nachzusehen, ob die Waffe da war. Sobald er sie sah, hob er die Lippe ein wenig zum Zeichen, daß er verstünde, und Leclère hob die seine grinsend zur Antwort. Eines Tages bemerkte der Missionar diesen Auftritt.

»Gott erbarme sich!« sagte er. »Ich glaube tatsächlich, daß die Bestie es versteht.«

Leclère lachte leise. »Sehen Sie nur, mon père. Wenn ick jetzt sprecken, lauscht er schon.«

Und wie zur Bestätigung spitzte Bastard ganz deutlich das eine Ohr, um den Klang besser aufnehmen zu können.

»Ick sagen ›töten‹«.

Bastard knurrte tief in der Kehle. Das Haar auf dem Rücken sträubte sich ihm, und jede Muskel spannte sich in Erwartung.

»Ich hebe den Revolver . . .« Und er ließ den Worten die Tat folgen und zielte mit dem Revolver auf Bastard.

Mit einem einzigen Satz war Bastard um die Ecke der Hütte verschwunden.

»Gott sei mir gnädig«, wiederholte der Missionar mehrmals.

Leclère grinste stolz.

»Aber warum läuft er nicht fort?«

Der Franzose zuckte die Achseln, wie Männer seiner Rasse zu tun pflegen, mit einer Bewegung, die alles von völliger Unwissenheit bis zu unendlichem Verständnis bedeuten kann.

»Warum töten Sie ihn nicht?«

»Mon père«, sagte er nach einer Pause. »Noch sein die Zeit dazu nix gekommen. Er sei ganz großer Teufel. Einmal ick werde ihn zermalmen, so oder so, in ganz kleine Stücke. Nickt wahr? In ganz kleine Fetzen. Bon!«

Dann kam endlich der Tag, an dem Leclère seine Hunde wieder zusammenrief, in einem Stakboot nach Forty Miles und von dort weiter nach Porcupine fuhr, wo er einen Auftrag von der P. C. Company erhielt. Hierauf begab er sich für den guten Teil des Jahres auf eine Forschungsreise. Als der Auftrag erledigt war, fuhr er den Koyokuk bis zur verlassenen Arctic City hinauf, kam dann, mit der Strömung treibend, zurück und fuhr von Lager zu Lager den Yukon hinab. Und während dieser langen Monate erhielt Bastard manch gute Lektion. Er lernte viele Arten von Marter kennen, namentlich die Marter des Hungers, die Marter des Durstes, die Marter des Feuers und, die schlimmste von allen: die Marter der Musik.

Wie die meisten seiner Art liebte er die Musik nicht. Sie verursachte ihm ausgesprochene Qualen, folterte ihn Nerv für Nerv und zerriß jede Fiber seines Wesens Stück für Stück. Sie brachte ihn zum Heulen, und er heulte in langgezogenen Tönen wie ein Wolf – genau wie die Wölfe es beim Sternenschein der Frostnächte zu tun pflegen. Er konnte das Heulen nicht lassen. Hier lag seine einzige Schwäche in seinem Kampf mit Leclère, und er schämte sich auch darüber. Nun liebte Leclère seinetwillen die Musik leidenschaftlich, ebenso leidenschaftlich wie starke Getränke. Und wenn seine Seele sich danach sehnte, sich Ausdruck zu verleihen, äußerte sich das stets entweder in der einen oder der andern dieser beiden Ausdrucksformen und meistens in beiden zusammen. Und wenn er getrunken hatte, sein Gehirn von ungesungenen Liedern überströmte und der Teufel in ihm ungezügelt seinen Kopf erhob, dann fand seine Seele ihren tiefsten Ausdruck darin, daß er Bastard quälte.

»Jetzt wollen wir macken ein bißchen Musik«, konnte er zum Beispiel sagen. »Nickt wahr? Wie denken du darüber, mein lieber Bastard?«

Er hatte nur ein altes, verbrauchtes Schifferklavier, das er so sorgsam wie einen goldenen Schatz behandelte und immer wieder geduldig reparierte. Aber es war für ihn das Beste, was man für Geld kaufen kann, und den silbernen Röhren dieses Instruments entlockte er zauberhafte Vagantenlieder, die man nie zuvor gehört hatte. Dann zog Bastard sich immer, ohne einen Ton von sich zu geben, mit fest zusammengebissenen Zähnen Zoll für Zoll rücklings in die entfernteste Ecke der Hütte zurück. Und während Leclère spielte und spielte, folgte er dem Tier, einen dicken Stock unter dem Arm, Zoll für Zoll, Schritt für Schritt, bis es sich nicht weiter zurückziehen konnte.

Zuerst versuchte Bastard sich dann auf den denkbar kleinsten Raum zusammenzupressen und kroch so nahe wie möglich an die Tür heran. Wenn die Musik aber immer näher kam, wurde er gezwungen, sich zu empören. Dann drückte er seinen Hinterkörper gegen die Balken der Wand, während seine Vorderbeine in der Luft herumfochten, als ob sie die krausen Wellen der Musik vertreiben wollten. Er biß immer noch die Zähne zusammen, aber gewisse Muskelzuckungen liefen schon durch seinen Körper, seltsame Stöße und Konvulsionen durchzitterten ihn, bis das ganze Tier bebte und sich in stummen Qualen krümmte. Wenn es dann die Herrschaft über seine Nerven verlor, öffneten sich die Kiefer plötzlich wie in einem Krampf, und tiefe Vibrationen der Stimmbänder entströmten der Kehle, jedoch zu tief, um vom menschlichen Ohr erfaßt zu werden. Und dann entstand zum Schluß das langgezogene Wolfsgeheul, während die Nüstern sich weiteten, die Augen sich aufsperrten und die Haare sich in hilfloser Raserei sträubten. Der Ton sprang mit einem plötzlichen Ruck nach oben heraus, schwoll dann zu einer mächtigen, herzzerbrechenden Woge und klang endlich in einen schmerzlichen Akkord voller Weh aus . . . dann kam wieder ein Ruck nach oben, und so ging es Oktave für Oktave weiter: das berstende Herz des Tieres! Und der unsagbare Schmerz und das Elend! Erblassend, verwelkend, verschwindend, und schließlich langsam verklingend.

Es war reif für die Hölle. Und Leclère, der mit seinem aus Haß geborenen Wissen jeden einzelnen Nerv, jede Herzfiber zu erraten schien, brachte es durch lange Klagetöne und zitternde, schluchzende Mollakkorde so weit, daß der Hund seinen letzten, innersten Kummer preisgab. Es war furchtbar, und die ersten vierundzwanzig Stunden danach war Bastard nervös und unruhig, zuckte bei jedem Geräusch zusammen, fürchtete sich vor seinem eigenen Schatten, blieb aber trotz allem gleich mürrisch und tyrannisch gegen seine Kameraden. Es gab auch nicht das geringste Anzeichen, daß sein Geist gebrochen war. Eher konnte man sagen, daß er immer grimmiger und schweigsamer wurde und mit unerschütterlicher Geduld seine Stunde abwartete, und diese Geduld begann tatsächlich Leclère allmählich selbst zu verwirren und zu bedrücken. Der Hund konnte stundenlang regungslos im Schein des Lagerfeuers liegen und Leclère nur starr anblicken. Und in den bösen Augen stand der Haß geschrieben.

Oft empfand der Mann selbst, daß er sich gegen das tiefste Wesen des Lebens versündigt hatte – gegen dieses Unbesiegbare, das den Habicht wie einen federnden Donnerkeil aus dem Himmel herabsausen, die große graue Wildgans durch die Zonen fließen, den Lachs zur Laichzeit den schäumenden Yukon zweitausend Meilen hinaufwandern läßt. In solchen Augenblicken fühlte er indessen den Drang, sein eigenes unbesiegbares Wesen zu äußern. Und unter wildem Saufen und verrückter Musik und in Gesellschaft Bastards gab er sich grenzenlosen Orgien hin, bei denen er seine unmaßgebliche geringe Kraft dem Gesicht der Dinge entgegenstellte und alles, was gewesen, was ist und was einst kommen wird, herausforderte.

»Es ist da etwas«, bestätigte er, wenn die rhythmischen Einfälle seines Gehirns die geheimen Seiten in der Seele Bastards berührten und das lange düstere Geheul auslösten. »Ick werden es mit meine beiden Händen herauskriegen, so und so! Ha ha, es ist lächerlich! Es ist ein Mordspaß! Der Priester singt, die Frauen beten, die Männer fluchen, die kleinen Vögel sagen ›pip-pip‹ und du, Bastard, sagst, ›ja-jau‹ . . . und alles sein immer nur dasselbe!«

Vater Gautier, ein sehr würdiger Priester, mahnte ihn einmal an das ewige Verderben. Er tat es nie wieder.

»Mag alles sein, wie Sie sagen, mon père«, erwiderte er. »Nun und ick denken, daß ick schnappend und knurrend durch die Hölle gehen werde, wie der Schierling durchs Feuer. Was meinen Sie, mon père?«

Aber alles Böse hat ebensogut ein Ende wie das, was man gut nennt, und so erging es auch dem Schwarzen Leclère. Als das Wasser im Flusse niedrig stand, hatte er Mc Dougall in einem Stakboot verlassen, um nach Sunrise zu gehen. Von Mc Dougall ab wurde er von Timothy Brown begleitet und kam dennoch allein in Sunrise an. Es war ferner bekannt geworden, daß sie unmittelbar vor dem Aufbruch einen Streit gehabt hatten, denn die »Lizzie«, ein asthmatischer Zehn-Tonnen-Dampfer mit einem Heckrad, der vierundzwanzig Stunden später abgefahren war, hatte Leclère nach drei Tagen überholt. Und als er an Bord ging, hatte er ein sauber gemachtes Loch von einer Kugel in der Schulter und berichtete eine märchenhafte Geschichte von Buschräubern und Mördern.

In Sunrise war ein großer Goldfund gemacht worden, und alle Verhältnisse hatten sich dadurch bedeutend geändert. Als einige hundert Goldsucher, eine ganze Menge Whisky und ein halbes Dutzend gut ausgestattete Spieler ihren Einzug hielten, erkannte der Missionar, daß seine jahrelangen Bemühungen um die Indianer umsonst gewesen waren. Als die Indianerfrauen für unverheiratete Goldsucher Bohnen kochen und Feuer machen mußten und die Männer ihre warmen Pelze gegen schwarze Flaschen und schlecht gehende Uhren vertauschten, legte er sich ins Bett, sagte mehrmals: »Gott erbarme sich!« und fuhr in einer roh gehobelten langen Kiste zu seiner letzten Abrechnung. Darauf verlegten die Spieler ihre Rouletten und Pharaotische in das Missionshaus, und man hörte vom Morgen bis zum Abend und weiter bis zum nächsten Morgen ununterbrochen das Klappern der Chips und das Klirren der Gläser.

Nun war Timothy Brown unter diesen Abenteurern des Nordens außerordentlich beliebt. Das Einzige, was man gegen ihn einzuwenden hatte, war sein rasches Temperament und seine immer bereite Faust – Bagatellen, die sein freundliches Herz und seine barmherzige Hand dreifach aufwogen. Andererseits gab es nichts, was dem Schwarzen Leclère zur Entschuldigung dienen konnte. Er war »schwarz«, wovon mehr als eine Tat zeugte, deren man sich entsann, und er war ebenso verhaßt, wie der andere beliebt. Deshalb legten ihm die Männer von Sunrise einen antiseptischen Verband um die Schulter und zerrten ihn vor Richter Lynch.

Es war eine ganz einfache Geschichte. Er hatte in Mc Dougall einen Streit mit Timothy Brown gehabt, und dann hatten beide zusammen Mc Dougall verlassen. Leclère war ohne Timothy Brown in Sunrise gelandet. Da man seine allgemein bekannte Bosheit in Betracht zog, wurde einstimmig entschieden, daß er Timothy Brown getötet hätte. Andererseits erkannte Leclère zwar die Tatsachen als solche an, wehrte sich aber gegen die Schlußfolgerung und gab seine eigene Erklärung. Zwanzig Meilen hinter Sunrise stakten er und Timothy Brown das Boot an der felsigen Küste entlang. Da fielen vom Ufer zwei Schüsse. Timothy Brown stürzte aus dem Boot, ertrank und hinterließ nichts als ein paar rote Blasen im Wasser. Er, Leclère, hatte sich mit der schmerzenden Schulter auf den Boden des Bootes geworfen. Er lag ganz ruhig und sah nach der Küste. Nach einiger Zeit hatten zwei Indianer die Köpfe aus dem Gebüsch gesteckt und waren zum Ufer hinabgegangen. Zwischen sich trugen sie ein Kanu. Als sie es ins Wasser gesetzt hatten, feuerte er. Er traf den einen, der zum Boot herausfiel, genau wie Timothy Brown es getan hatte. Der andere warf sich auf den Boden des Kanus, und dann glitten Stakboot und Kanu nach der Strömung den Fluß hinab, als ob sie eine Regatta abhielten. Hierauf kamen sie an eine Stelle, wo der Fluß sich gabelte, und nun lief das Kanu an der einen Seite einer Insel, das Stakboot an der anderen entlang. Das war das Letzte, was er vom Kanu gesehen hatte. Er war dann in Sunrise angekommen. Ja, nach der Art, wie der Indianer in dem Kanu hochsprang, war er überzeugt, daß er ihn getroffen hatte. Das war alles.

Diese Erklärung wurde als unbefriedigend angesehen. Sie gaben ihm eine Gnadenfrist von zehn Stunden, während die »Lizzie« hindampfte, um den Tatort zu besichtigen. Zehn Stunden später kam sie nach Sunrise zurück. Man hatte nichts gefunden, das seine Darstellung hätte erhärten können. Sie sagten ihm, daß er sein Testament machen sollte, denn er besaß einen Minenanteil in Höhe von fünfzigtausend Dollar in Sunrise. Und sie waren Menschen, die nicht nur Gesetze gaben, sondern sie auch befolgten.

Leclère zuckte die Achseln. »Nur ein . . .« sagte er, »ein ganz kleine, was ihr Gunst nennt. Ick geben meine fünfzigtausend Dollar der Kirche. Ick geben meinen räudigen Hund dem Teufel. Diese kleine Gunst? Erst hängt ihr ihn, und dann hängt ihr mick. Ist es so gut?«

Das sei ausgezeichnet, räumten sie ein und bewilligten, daß der Höllensprößling seinem Herrn das Weggeleit über die letzte Wasserscheide gäbe. Der Gerichtshof wurde nach dem Ufer verlegt, wo ein großer Fichtenbaum ganz allein stand. Slackwater Charley machte ans Ende einer Leine einen Henkerstich, die Schlinge wurde Leclère über den Kopf gelegt und um seinen Hals straffgezogen. Die Hände wurden ihm auf dem Rücken zusammengebunden, und dann half man ihm, auf eine Zwiebackkiste zu steigen. Hierauf wurde das freie Ende des Stricks um einen Ast über seinem Kopfe geworfen, angezogen und festgemacht. Nahm man nun die Kiste unter seinen Füßen weg, so tanzte er in der Luft.

»Und jetzt der Hund«, sagte Webster Shaw, der früher Mineningenieur gewesen war. »Du wirst ihn binden müssen, Slackwater.«

Leclère grinste. Slackwater nahm sich einen Bissen Kautabak, dann machte er eine Schlinge bereit und nahm ruhig einige Schläge von dem Strick in die eine Hand. Ein- oder zweimal blieb er stehen, um besonders zudringliche Moskitos mit der Hand vom Gesicht abzuwischen. Alle Anwesenden hatten überhaupt genug damit zu tun, die Moskitos zu vertreiben, außer Leclère, über dessen Kopf ein ganz kleines Wölkchen zu sehen war. Selbst Bastard, der ausgestreckt am Boden lag, rieb sich mit den Vorderpfoten die Quälgeister von Augen und Maul weg.

Während Slackwater jedoch wartete, daß Bastard seinen Kopf heben sollte, hörte man einen leisen Ruf durch die stille Luft und sah gleichzeitig einen Mann, der die Arme schwenkte und quer über die Watten von Sunrise gelaufen kam.

»Nehmt es zurück, Kameraden!« stöhnte der Mann, als er sie erreicht hatte.

»Der kleine Sandy und Bernadotte sind eben gekommen. Sie sind dort unten gelandet und den kürzeren Weg gegangen. Sie haben den Biber mitgebracht. Haben ihn in seinem Kanu gefunden, das in einer Nebenrinne gekentert war. Er hatte ein paar Löcher im Leib. Der andere Bursche war Klok Kutz, der seine Squaw totgeschlagen und sich dann dünne gemacht hat.«

»Na? Was haben ick gesagt, ja?« rief Leclère triumphierend. »Daß ick Recht hatte? Ah, ick wissen schon Bescheid. Ick sprecken die Wahrheit.«

»Man muß endlich mal den verdammten Siwaschs eine gehörige Lehre erteilen«, sagte Webster Shaw. »Sie werden fett und unverschämt, und wir müssen sie ein bißchen kleinmachen. Ruft mal alle männlichen Indianer zusammen und hängt den Biber auf, um ein Exempel zu statuieren. Das machen wir! Kommt mit und laßt uns sehen, was er zu seiner Entschuldigung zu sagen hat.«

»Halloh, m’sieur!« rief Leclère, als der Schwarm in die Richtung nach Sunrise durch die Dämmerung zu verschwinden begann. »Ick möckten auch sehr gern den Spaß mitansehen.«

»Na, wenn wir wiederkommen, werden wir dich freilassen«, rief Webster ihm über die Schulter zu. »Unterdessen kannst du ja mal ein bißchen über deine Sünden und die Wege der Vorsehung nachdenken. Es wird dir gut tun, ein bißchen Dankbarkeit zu lernen.«

Wie es immer Männern geht, die große Gefahren gewohnt und deren Nerven gesund und ausdauernd sind, so ging es auch Leclère. Er bereitete sich auf langes Warten – das heißt: er bereitete sich im Geiste vor, denn mit seinem Körper konnte er nichts anfangen, da der Strick ihn zwang, aufrecht zu stehen. Die kleinste Entspannung der Beinmuskeln preßte die aus rauhen Fibern gemachte Schlinge um seinen Hals zusammen, während die aufrechte Haltung ihm arge Schmerzen in der verwundeten Schulter verursachte. Er streckte die Unterlippe etwas vor und ließ seinen Atem über das Gesicht entlang nach oben wehen, um die Moskitos auf diese Weise von seinen Augen zu verscheuchen. Aber die unangenehme Lage hatte auch ihre angenehmere Seite, die die Unbequemlichkeit wettmachte. So plötzlich dem Griff des Todes entzogen zu werden, konnte schon mit einigen Unannehmlichkeiten bezahlt werden, nur war es verflucht ärgerlich, daß er das Aufknüpfen des Bibers nicht miterleben sollte.

Und so dachte er gutgelaunt über seine Lage nach, bis sein Blick zufällig auf Bastard fiel, der, den Kopf zwischen den Vorderpfoten, dalag und schlief. Und da war es auf einmal mit der guten Laune Leclères vorbei. Er beobachtete das Tier genau und versuchte zu ergründen, ob es wirklich schlief oder nur so tat. Bastards Flanken hoben und senkten sich regelmäßig, aber Leclère fand, daß der Atem ein klein wenig zu schnell ging. Außerdem hatte er den Eindruck, daß jedes Haar auf dem Posten war und den schlaffen Schlaf Lügen strafte. Er hätte seinen Anteil an der Sunrisemine gegeben, um zu erfahren, ob der Hund wirklich schlief oder nicht. Als seine Gelenke einmal knackten, warf er einen schnellen und ängstlichen Blick auf Bastard, um zu sehen, ob er sich bewegt hätte. In diesem Augenblick bewegte er sich freilich nicht, aber einige Minuten später erhob er sich langsam und faul, reckte sich und blickte sich vorsichtig um.

»Sacredam«, murmelte Leclère in den Bart.

Nachdem Bastard sich vergewissert hatte, daß niemand in der Nähe war, setzte er sich ruhig hin. hob die Oberlippe zu einem Grinsen, warf Leclère einen Blick zu und leckte sich das Maul.

»Jetzt sehe ich mein Ende vor mir«, sagte der Mann und lachte laut und bitter.

Bastard kam jetzt näher, das verstümmelte Ohr baumelte, das gesunde war wie in teuflischem Verstehen der Worte gespitzt. Er legte den Kopf gutgelaunt auf die Seite und bewegte sich mit gezierten und tänzelnden Schritten. Er rieb seinen Körper freundlich gegen die Kiste, immer wieder, so daß sie ins Schwanken kam. Leclère bemühte sich, sein Gleichgewicht zu bewahren.

»Bastard«, sagte er ruhig. »Paß auf. Ick töten dir.«

Bastard knurrte, als er das Wort hörte und rüttelte noch kräftiger an der Kiste. Dann stellte er sich auf die Hinterläufe und warf mit den Vorderpfoten sein ganzes Gewicht gegen den Oberteil der Kiste. Leclère versuchte ihm mit dem einen Fuß einen Tritt zu geben, aber das schmerzte an seinem Hals und gab ihm einen Ruck, daß er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

»Heha! Geh! Marsch!« rief er.

Bastard zog sich etwa zwanzig Fuß weit zurück. In seinem Gebaren lag eine feindliche Gleichgültigkeit, die Leclère nicht mißverstehen konnte. Er erinnerte sich, daß der Hund oft die Eiskruste auf einem Wasserloch zerbrochen hatte, indem er hochsprang und sich mit seinem ganzen Gewicht auf das Eis fallen ließ. Und als er hieran dachte, verstand er auch, was das Tier vorhatte. Bastard drehte sich um und blieb einen Augenblick stehen. Er bleckte seine weißen Zähne zu einem bösen Grinsen, das Leclère beantwortete. Und dann sauste der Körper des Hundes mit voller Kraft durch die Luft auf die Kiste zu.

Als Slackwater Charley und Webster Shaw eine Viertelstunde später zurückkehrten, sahen sie ein unheimliches Pendel, das in der unsicheren Beleuchtung hin und her schwang. Als sie schnell näher liefen, stellten sie fest, daß es der tote Körper eines Mannes und ein lebendes Wesen waren, das sich an die Leiche festkrallte und daran stieß und zerrte, so daß beide hin- und hergeschleudert wurden.

»He! Weg da, du Höllensproß!« brüllte Webster Shaw.

Aber Bastard warf ihm nur einen Blick zu und knurrte drohend, ohne seine Kiefer zu lockern.

Slackwater Charley zog seinen Revolver, aber seine Hand zitterte, als ob ihn fror, und er kam mit der Waffe nicht zurecht.

»Nimm du sie«, sagte er und reichte sie dem andern.

Webster Shaw lachte kurz auf, zielte zwischen die glühenden Augen und drückte ab. Bastards Körper zuckte, als er getroffen wurde, dann peitschte er einen Augenblick im Todeskampf mit der Rute den Boden und erschlaffte plötzlich. Aber seine Zähne hielten ihre Beute immer noch.