Erzählungen

von Isolde Kurz.

 Es und ich.

Es gibt eine Gottheit, die von Allen gesucht wird, und die immer unerkannt über die Erde geht. Sie ist von unbegreiflich flüchtiger Substanz, und ihr Wesen zeigt sich nur im immerwährenden Versteckensspielen und sich Verkleiden; ihre wahre Gestalt hat kein Sterblicher jemals gesehen. Menschen und Völker setzt sie in Bewegung und rastet niemals. – Da sie keinen sicheren Namen hat, habe ich sie Es genannt.

Man halte es nicht für Anmaßung, daß ich Es und mich in einem Athem nenne, denn wir beide gehören unzertrennlich zusammen. Habe ich doch Es nie anders als in Verbindung mit mir gekannt und kann mir gar nicht vorstellen, wie Es aussehen würde, wenn ich nicht wäre. Hinwiederum existire ich nur in Beziehung auf Es, und wenn ich von meinen Erlebnissen reden will, kann ich nicht anders sagen als: Es und ich.

Ich erinnere mich ganz genau: mein erster Begriff, als ich denken lernte, und, noch ehe ich denken konnte, meine erste Vorstellung war Es. Niemand hatte mir je davon gesagt, aber ich wußte, daß Es vorhanden ist, ich hatte diese Kenntniß aus dem Mutterleibe mitgebracht.

Immer, wo es recht merkwürdig und geheimnißvoll aussah, da suchte ich Es. Wenn irgendwo ein rothes Lämpchen brannte, blieb ich stehen, um auf Es zu warten. Hinter dem Zelttuch wandernder Zigeuner saß Es gerne, doch wollte man mir nie erlauben, das Tuch zu lüpfen.

Zum ersten Mal erkannte ich Es leibhaft in der Gestalt eines Kochlöffels. Den hatte ich ganz neu aus der Küche entwendet und in einem Nesselbusch versteckt, denn ich wollte für mich und den Bruder ein Häuschen unter der Erde bauen, zu dem die Großen keinen Zutritt haben sollten. Um es einzurichten brauchte ich verschiedene Dinge, vor allem den bewußten Kochlöffel. Zuweilen zog ich ihn heimlich aus dem Versteck hervor und schwelgte in seinem Anblick. Es war ein Zauberstab, denn sobald ich ihn in Händen hielt, war das Häuschen schon fertig mit vielen niedlichen blitzblanken Sächelchen drin; es hatte ein Dach aus Erde, über dem der Nesselbusch wuchs, und eine ganz kleine Küche, in der ich für mich und den Bruder kochte. Eines Tages aber fand mich die Köchin bei meinem Schatz, ergrimmt entriß sie mir den Löffel, nach dem sie lange gesucht hatte, und augenblicklich versank das Häuschen mit allem was drin war in den Boden. Später wurde mir zwar auf Befehl der Mutter der Löffel zurückgegeben, aber jetzt war er nur noch ein Stück Holz, und ich konnte das wunderbare Häuschen niemals wieder aufbauen.

Ich kann mich nicht mehr an all die vermiedenen Gestalten erinnern, in denen Es danach mir wieder erschien. In verschnürten und versiegelten Schachteln, die der Postbote brachte, war sein Lieblingsaufenthalt, aber regelmäßig beim Oeffnen entflog es.

Bei Nacht war Es mir meistens ganz nahe. Ich lag in meinem Bettchen, auf dem Tisch brannte ein Nachtlicht, und die Großen sprachen mit gedämpfter Stimme. Dabei wurde mir seltsam ahnungsvoll zu Muth, und nun begann das Lichtlein zu flackern und gab im Ausgehen ein prasselndes Geräusch von sich, das die Wärterin »spratzeln« nannte. Dieses »Spratzeln« war wie ein Signal, ich wußte: jetzt geht sogleich die Thüre auf, und herein kommt Es. Doch im Augenblick, wo das geschah, war ich auch schon eingeschlafen, deshalb konnte ich Es niemals von Angesicht sehen. Aber noch jetzt, wenn es mir gelegentlich beikommt, ein Nachtlicht brennen zu lassen, und ich wache in tiefer Nacht an dem Gespratzel auf, so ist mir’s, als sei jetzt Es soeben durchs Zimmer gegangen.

Unter dem Weihnachtsbaume habe ich Es wohl des öfteren leibhaft sitzen sehen, aber während die Lichter abbrannten, schlich es still hinaus. Dagegen wohnte es in der Woche vor Weihnachten ständig im Hause, nur durfte man es alsdann nicht sehen. Es stak in abgeschlossenen Schubladen, aus denen zuweilen ein Endchen Goldfaden oder ein Fetzen bunten Seidenzeugs heraushing, man ahnte seine Nähe hinter der Schrankthür, wo beim Auf- und Zumachen Gold und Silberflitter knisterten, aber wollte man Es durch einen Thürspalt oder ein Schlüsselloch belauschen, so wurde man von den Großen ärgerlich weggestoßen.

Geduld, dachte ich, später, wenn ich groß bin, wird Es beständig um mich sein. Dies war eine unumstößliche Gewißheit; wie Es aussehen sollte, fragte ich mich nicht, aber kommen mußte Es.

Ein äußerer Umstand gab der Vorstellung mit der Zeit eine bestimmtere Richtung. Ein Freund der Familie, der in Smyrna wohnte, schickte alljährlich um dieselbe Zeit ein Kistchen voll getrockneter Feigen nebst einigen Fläschchen Rosenöl, die mit Goldbuchstaben bemalt waren. In diesem Kistchen zwar wohnte Es niemals, wir wußten zu genau im Voraus, was es enthielt und sogar wie es verpackt war. Aber das Kistchen erregte entzückende Bilder von dem Land, das solche Herrlichkeiten hervorbrachte. Und wenn Es fortan darauf bestand, sich nicht zu zeigen, so tröstete ich mich, es müsse wohl jenseits eines weiten Meeres in Smyrna sein.

Welch ein seltsames Gesicht machen doch zuweilen die Buchstaben, wenn sie zu einem Namen zusammentreten. Es ist als sehe man durch eine unendliche Tiefe in das innerste Wesen der Dinge hinein. Ich nehme es keinem übel, wenn er sich in den wohlklingenden Namen eines Mädchens verliebt.

Aehnlich erging es mir mit Smyrna, und aus tiefer, andächtiger Bewunderung vermied ich es, den Namen zu nennen. Aber jenseits unseres Flusses lag eine Ortschaft, welche Sirnau hieß – ich habe sie, nebenbei gesagt, niemals gesehen. – Um Smyrna nicht zu profaniren, redete ich, wo ich nur konnte, von Sirnau. Den Waldstreifen zwischen jener Ortschaft und dem Fluß nannte man das Sirnauer Wäldchen. Im Sommer führten unsere Wärterinnen uns zuweilen dort hinüber. Der Fluß rann an dieser Stelle ganz seicht über silberhelle Kiesel, die Mädchen brauchten nur ihre Röcke zu schürzen, um hindurch zu waten, uns Kleinen zog man einfach die Kleider aus. Diesen Waldboden betrat ich nie ohne entzückten Schauer, als ob es ein heiliger Grund wäre, denn einige Aehnlichkeit, dachte ich, müsse Sirnau doch mit Smyrna haben. Einmal zeigte man mir dort ein Eichhörnchen, das an einer Eichel knapperte, und alsbald bevölkerte meine Phantasie ganz Smyrna mit Eichhörnchen, die auf schlanken gläsernen Thürmen saßen und Feigen herunterwarfen, klare Flüsse, die nach Rosenöl dufteten, rannen daneben, und dies war Es.

Die Strecke bis ins zehnte Jahr war unendlich; als ich einmal die berühmte Null erreicht hatte, kam die ganze Sache ins Rollen. Ich lachte jetzt über Smyrna und die Eichhörnchen, wie ich schon früher über den Kochlöffel gelacht hatte. Ich wußte jetzt, Es ist überall, es kommt nur darauf an, Es zu finden, und dazu braucht es den flüchtigsten aller Renner.

Ach, ich habe manches rasche Roß bestiegen, bin bei Tage und auch bei Nacht in Ebenen und Waldschluchten herumgestreift, aber Es habe ich niemals erjagt. Es war immer auf der Flucht vor mir und wußte sich so zu verstecken, daß ich auch nicht einmal den Saum seines Gewandes fassen konnte. Und wenn Es mir jemals über den Weg lief, so trug es Kleider, in denen ich es nicht erkannte.

Und doch gab es in der kleinen Stadt, wo ich zu Hause war, eine Räumlichkeit, in der es gern verweilte. Der Weg dahin führte über einen hochgelegenen, mit Bäumen besetzten Platz, dessen eine Seite ein lang gestrecktes massives Steingebäude einnahm. Dort stieg man drei Stufen zu einer breiten Hausthür hinauf und im Innern zur rechten Hand zwei hölzerne Stufen hinunter, dann fand man sich vor einem niederen Pförtchen. An zwei Abenden der Woche tönten hinter dieser Pforte sonderbare wimmernde und jubelnde Laute, sie kamen vom Stimmen der Violinen her, die Knaben und Mädchen zur Tanzstunde riefen. Mit welchen Ahnungsschauern folgte ich zwölfjährig dem Lockruf der Geigen, wenn sie riefen: Es ist da! Es ist da! – Und Es war wirklich da, der grobgetünchte Saal mit den rohen Holzbänken war ganz von seiner Gegenwart ausgefüllt. Es tanzte auch mit, aber in so unbegreiflich verschlungenen Figuren, daß ich seinen Anblick niemals erhaschen konnte. Es duckte sich in Ecken und heimliche Winkel, schlang sich an den hölzernen Säulen vorüber und wollte meinem Auge niemals Stand halten. Ob es den Andern, die dort tanzten, jemals seinen Anblick gegönnt hat, habe ich nicht erfahren.

Am unglücklichsten war ich an den Sonntagen, denn ich glaubte lange, dies sei die Zeit, wo Es sich am liebsten blicken lasse, weil ich sah, daß auch Andere darauf warteten. Darum zog ich mich jedesmal festlich an, um Es würdig zu empfangen, aber ausgehen mochte ich nicht, ich wußte schon, Es mischt sich nicht gern unter die Sonntagsmenge, und wenn Es mich finden wollte, konnte es ja eben so gut in meine Wohnung kommen. Aber ich saß viel am Fenster, damit Es wenigstens den Weg nicht verfehle. Solche Sonntage hatten zehnmal so viel Stunden wie ein anderer Tag. Da sah ich dann abends die Leute nach Hause kommen, sie machten sich breit und thaten alle, als hätten sie Es gesehen. Und ich meinte, alle Menschen trügen ein hohes, unbegreifliches Glück nach Hause, und ich allein sei leer ausgegangen. Fragte ich aber, was sie erlebt hätten, so antworteten sie, sie hätten Käse gegessen und Bier getrunken und wären sehr vergnügt gewesen.

Vergnügt! Wie habe ich von jeher dieses Wort gehaßt. Wo Es nicht ist, wie kann die Seele da Genüge finden. Und wo Es wirklich wäre, welches Wort wäre hoch und tief genug, um ihr Entzücken auszusprechen.

An sonnigen Oster- und Pfingstmorgen, wenn die Glocken zusammenläuten, kann ich mich des Wartens auf Es bis zum heutigen Tag nicht völlig entschlagen.

Wunderliches Ding, dieses Es! Einmal war es gar in ein kleines Kreuzchen aus Bergkrystall eingezogen, nach dem ich eine Zeit lang heftiges Verlangen trug. Dort muß es ihm sogar sehr wohl gewesen sein, denn es wohnte geraume Zeit in dem Kreuzchen. Freilich war es kein gewöhnliches Schmuckstück, sondern stellte in meiner Einbildung zugleich das Südliche Kreuz vor, das mir, seitdem ich im Kosmos gelesen hatte, wie das Bild eines Geliebten in der Seele glühte. Das Kreuzchen wurde mein, aber während es an meinem Halse hing, oder in der Schatulle lag, ging langsam eine sonderbare Veränderung mit ihm vor. Es schwand nämlich immer mehr, nicht an Umfang, sondern an Realität, ich hielt es oft betrübt und zweifelnd in der Hand und begriff nicht, wo es eigentlich hinkam. Man konnte es noch sehen und tasten, aber es war am Ende so gut wie nicht mehr vorhanden.

Von jener Zeit an verstand ich das Märchen vom Teufelsgolde: Die materiellen Güter sind überhaupt keine realen, sie verschwinden, so bald man sie besitzt – nur Es, das wechselvolle, unbegreifliche bleibt immer wesenhaft und gleich verlangenswerth.

Wie viel Enttäuschungen, Zorn und Kummer hat Es mir noch fernerhin auf meinem Lebensweg bereitet! Ich will nicht von seiner Tücke reden, daß es sich bisweilen in ein menschliches Gesicht versteckte und mit keiner Gewalt von da zu vertreiben war, bis es eines Tages von selber wieder auszog, – ich wußte nicht wie und warum, nur daß der Mensch plötzlich aussah wie Jedermann. Das Seltsamste und Unheimlichste war, daß Es Menschen und Dingen den Raum versperrte. Die Dinge, die sich für real ausgaben, waren eigentlich gar nicht, und die Menschen, die beachtet sein wollten, waren ebensowenig; sie hatten wie Schatten nur zwei Dimensionen. Es mit seiner übermächtigen Substanz stand immer zwischen mir und ihnen und ließ sie nicht zur Wesenheit durchdringen. Dafür thaten sie mir aus Rache manchen Tort, und ich war außer stand, mich gegen sie zu wehren, denn ich glaubte im stillen doch nicht an ihre Realität. Ich glaubte nur an Es, das Unaussprechliche, mir bei der Geburt Verheißene, das jeder Sonntagsmorgen aufs neue versprach.

Ich sah endlich ein, daß ich Es in meinem Vaterland niemals finden würde, und wanderte aus nach Süden. In weißen Marmorpalästen und tiefgrünen Hainen unter der Sonne von Florenz mußte Es meiner Meinung nach zu Hause sein. – Aber in Florenz war Es erst recht nicht – wie könnte es auch da sein, wo alles schon vergangen ist – Es ist ja das Niedagewesene, das ewig Künftige. Ich fand nicht einmal die weißen Paläste, von denen ich geträumt hatte, sie waren alle vom Alter geschwärzt und hatten die Farbe des Gesteins und Erdbodens, aus dem sie herauswuchsen. Aber wären sie auch weiß gewesen und ganz so wie ich sie gedacht hatte, – Es hätte ebenso wenig in ihnen gehaust.

Nun standen alle meine Gedanken nach dem Meere. Auf dem Meer ist das Unendliche, auf dem Meer ist Es! – Ach, das Meer war gleichfalls ganz anders, als ich gedacht hatte. Es war nur ein kleiner Ausschnitt des Unendlichen mit Wasser und Himmel und vielen Segeln, die alle sehnlich etwas zu suchen schienen – und dahinter war der Blick versperrt. – Nein, auf dem Meere war Es wieder nicht, wo war Es denn?

Eine weiße Leere, eine glühende Stille umgab mich, in der ich nicht einmal mehr wünschen konnte. Es war mir gänzlich entschwunden und wohnte am fernsten Horizont. Da sagte einst ein alter Schiffer, der mich aus dem Golf von Spezia ins offene Meer hinausruderte: Wenn wir immer so weiterführen, würden wir in Afrika landen.

In diesem Augenblick flog Es voraus und ließ sich jenseits des Meeres in Afrika nieder. So oft ich von nun an ein Schiff in jener Richtung segeln sah, war’s als zöge mich’s an unsichtbarem Bande nach jener fernen afrikanischen Küste mit dem weißen blendenden Sonnenschein und den stillen warmen Nächten, wo das Südliche Kreuz, meine Jugendliebe, am Himmel steht. Aber ich sah ein, daß Es mich doch nur aufs Neue zum besten hatte und daß unter dem Südlichen Kreuz seines Bleibens so wenig sein würde wie unter den Gestirnen der nördlichen Hemisphäre. Es wartete nur, daß ich mich in Bewegung setzte, um vor mir herzuziehen wie der Horizont, ich hätte ihm nach- und nachziehen können rund um die Erde und endlich am alten Fleck wieder ankommen – ich wäre ihm doch nicht um einen Fußbreit näher gerückt. So blieb nichts übrig als sich endlich in der Welt einzurichten, als ob Es gar nicht vorhanden wäre.

Aber Es duldet nicht, daß man sich auf die Dauer seiner entschlage. Es bedarf meiner wie ich seiner bedarf, es kommt zu mir, wenn ich nicht mehr zu ihm komme, es muß mich necken, denn mich necken ist sein Dasein. Ich lasse es an mich herankommen und sein Spiel mit mir treiben, und weiß doch, daß es mit mir spielt. So spielt ein Erwachsenes mit einem Kinde, das es zu täuschen glaubt, aber das Kind ist klüger als der Erwachsene denkt; es thut nur mit, weil es gefällig ist, und weil das Spiel ihm selber Freude macht.

Nun schlendere ich weiter ohne Hast und frage jeden Begegnenden, wie Es für ihn aussehe und wo er Es am liebsten suche. Viele verstehen mich nicht, denn für die Masse der Menschen ist Es von Amtswegen in feste Form gebracht; wozu also danach suchen! Sie holen es am Sonntag morgen aus dem Schrank und wandern damit zur Kirche, und Abends wenn sie Bier getrunken haben, werden sie begeistert und singen die »Wacht am Rhein«. Aber Solche, die mich verstehen, sind um die Antwort nicht verlegen. Der Liebende bringt mir das Bildniß seiner Geliebten – ich sehe dann ein Paar lachender Augen und blitzender Zähne, aber sein Es ist für mich nicht wahrnehmbar – der Bureaukrat denkt an einen Orden, der junge Dichter sieht Es hinter dem Theatervorhang, für den Backfisch trägt es Säbel und Sporen, der Politiker zeigt mir sein Utopien, aber war nicht – zu seiner Zeit – mein hölzerner Löffel eben so viel werth?

Und doch verspottet einer die Träume des andern. Der nüchterne Geschäftsmann lacht über den Idealisten, der einem Hirngespinst von Kunst, Liebe oder Vaterland nachjagt, er wird unter seinen Zahlen grau und ahnt nicht, welch ein hirnverbrannter Phantast er selber ist. Wenn er mit seinen Vollblutpferden vorüberfährt, blickt ihm freilich der naive Fußgänger nach und meint Es in aller Herrlichkeit neben ihm auf den straffen Polstern sitzen zu sehen. Doch der Herr der Equipage weiß, daß Es nicht neben ihm sitzt, weil der Platz ganz leer ist, er muß sogar wissen, daß er selbst im Leeren hinsaust, denn Pferde und Wagen sind bloß für das Auge des Fußgängers vorhanden. Nur thut er nicht dergleichen, sondern lehnt kühl und vornehm zurück, um wenigstens in dem Neid der Einfalt so etwas wie eine dürftige Entschädigung zu finden.

Nein, Es ist nicht in den Dingen, Es ist immer außerhalb. Ist Es darum eine Chimäre? Keineswegs, nur die Dinge sind Chimären.

Es bleibt stets das Gleiche, aber wo es erscheint, da ist es immer neu. Die Wandlungen Wischnu’s sind nichts gegen die seinigen. Für den Säugling kriecht es in eine blecherne Rassel, einem Napoleon geht es in blendendem Glanz auf den russischen Eisfeldern auf, und doch wird es nie weder größer noch kleiner.

So werde ich Es denn niemals mit Augen sehen, mit Händen greifen! Wohnt es vielleicht in jenen unendlichen, dem stärksten Fernglas undurchdringlichen Räumen hinter der Milchstraße?

Nein, es wohnt auch dort nicht, seine Wohnung ist überall und nirgends. Es ist wie der Unsichtbare, von dem Hiob sagt: »Er geht vor mir über, ehe ich ihn gewahr werde und verwandelt sich, ehe ich ihn erkenne.« Wer Es anfaßt, dem ist es schon entschwunden. Glaube keiner, sein Nachbar sei glücklicher als er und habe Es gebunden, Es treibt mit Jedem das gleiche Spiel, keiner kommt ihm um Haaresbreite näher als der andere.

Ich habe behaupten hören, es gebe Menschen, die nie auf Es gewartet hätten, die gar nichts wüßten von seinem Dasein. Mir sind solche Päscherähs niemals vorgekommen. Allen, die ich kenne, auch den Aermsten im Geiste, ist Es einmal in irgend einer Gestalt erschienen.

Wenn der Mensch aufgehört hat, an Es zu glauben, so hat er aufgehört zu leben.

Ich glaube noch an Es – Es ist sogar das Einzige, woran ich glaube, aber ich gehe ihm nicht mehr nach. Ich weiß, es ist immer da, wo ich nicht bin: gehe ich durch die Ebene, so nimmt Es seinen Weg über die Hügel. Wenn ich einmal gestorben bin, so wird Es gewiß kommen und auf meiner Aschenurne sitzen, und das wird ein schöner Augenblick sein; nur schade, daß alsdann niemand mehr da ist, ihn zu genießen.