DER TEURE HUND
Anton Tschechow
Übersetzt von Alexander Eliasberg
Leutnant Dubow, ein nicht mehr junger Armee-Offizier, und der Einjährige Knaps saßen einmal beisammen und tranken.
»Ein prachtvoller Hund!« sagte Dubow, auf seinen Hund Milka zeigend. »Ein wun–der–bar–rer Hund! Schauen Sie nur seine Schnauze an! Was die Schnauze allein wert ist! Wenn man auf einen Liebhaber stößt, so wird er für diese Schnauze allein zweihundert Rubel bezahlen! Sie glauben es mir nicht? Dann verstehen Sie nichts …«
»Ich verstehe wohl, aber …«
»Es ist doch ein Setter, ein reinrassiger englischer Setter! Auf dem Anstand ist er fabelhaft, und erst die Nase! Mein Gott, diese Nase! Wissen Sie, wieviel ich für den Hund bezahlt habe, als er noch klein war? Hundert Rubel! Ein wunderbarer Hund! Du Schelm, Milka! Du Dummkopf, Milka! Komm mal her, komm her … mein liebes Hündchen…«
Dubow zog Milka zu sich heran und küßte das Tier zwischen den Ohren. Tränen traten ihm in die Augen.
»Ich gebe dich doch nicht her … du schöner Hund … du Räuber. Du liebst mich doch, Milka? Milka? … Marsch, fort!« schrie der Leutnant plötzlich den Hund an. »Mit den schmutzigen Pfoten kommst du mir an die Uniform! Ja, Knaps, hundertfünfzig Rubel habe ich für den Hund bezahlt, als er jung war. Also ist er was wert! Eines tut mir nur leid: ich habe gar keine Zeit für die Jagd! Der Hund geht ohne Arbeit zugrunde, er vergräbt seinen Schatz … Darum verkaufe ich ihn auch. Kaufen Sie ihn mir ab, Knaps! Sie werden mir Ihr Leben lang dankbar sein! Nun, wenn Sie nicht so viel Geld haben, will ich ihn Ihnen für den halben Preis lassen … Nehmen Sie ihn für fünfzig! Berauben Sie mich nur!«
»Nein, mein Lieber …« entgegnete Knaps und seufzte auf. »Wäre Ihre Milka männlichen Geschlechts, so würde ich ihn vielleicht kaufen, so aber …«
»Milka ist nicht männlichen Geschlechts?« rief der Leutnant. erstaunt aus. »Knaps, was fällt Ihnen ein? Milka ist nicht männlichen Geschlechts?! Haha! Ist’s vielleicht eine Hündin? Haha! Ein netter Knabe! Er versteht noch nicht, einen Rüden von einer Hündin zu unterscheiden!«
»Sie sprechen zu mir, als ob ich blind oder ein Kind wäre,« versetzte Knaps beleidigt. »Natürlich ist sie eine Hündin!«
»Dann werden Sie vielleicht auch sagen, daß ich eine Dame bin! Ach, Knaps, Knaps! Und Sie haben noch die Technische Hochschule absolviert! Nein, mein Lieber, es ist ein echter, reinrassiger Rüde! Noch mehr als das: er kann jedem Rüden zehn Points vorgeben. Und Sie sagen, er sei eine Hündin! Haha …«
»Entschuldigen Sie, Michail Iwanowitsch, Sie halten mich einfach zum Narren … Es ist sogar kränkend …«
»Nun, lassen wir das, hol’ Sie der Teufel! … Kaufen Sie ihn nicht … Ihnen kann man das gar nicht klar machen! Bald werden Sie sagen, dies da sei kein Schwanz, sondern ein Bein … Also nicht. Ich wollte Ihnen doch nur einen Gefallen tun. Wachramejew, Kognak!«
Der Bursche brachte eine neue Flasche. Die Freunde schenkten sich je ein Gläschen ein und wurden nachdenklich. Eine halbe Stunde verging in Schweigen.
»Und wenn’s auch eine Hündin ist …« unterbrach der Leutnant das Schweigen mit einem düsteren Blick auf die Flasche. »Sie sind wirklich sonderbar! Das wäre doch nur Ihr Vorteil. Sie wirft Junge, und jeder junge Hund ist gleich einen Fünfundzwanziger wert … Ein jeder nimmt sie Ihnen gern ab. Ich weiß nicht, warum Ihnen gerade die Rüden so sehr gefallen! Die Hündinnen sind tausendmal besser. Das weibliche Geschlecht ist dankbarer und anhänglicher … Nun, wenn Sie schon das weibliche Geschlecht so fürchten, gebe ich sie Ihnen für Fünfundzwanzig her.«
»Nein, mein Lieber … Ich gebe keine Kopeke für den Hund. Erstens brauche ich keinen, und zweitens habe ich kein Geld.«
»Das hätten Sie früher sagen sollen. Milka, marsch, hinaus!«
Der Bursche brachte eine Eierspeise. Die beiden Freunde leerten schweigend die Pfanne.
»Sie sind ein guter Junge, Knaps, so ehrlich …« sagte der Leutnant, indem er sich den Mund abwischte. »Es tut mir leid, Sie so gehen zu lassen, hol’ der Teufel … Wissen Sie was? Nehmen Sie den Hund geschenkt!«
»Wo soll ich ihn halten, mein Lieber?« sagte Knaps seufzend. »Und wer wird sich bei mir mit ihm abgeben?«
»Also nicht, also nicht … hol’ Sie der Teufel! Wenn Sie nicht wollen, dann nicht … Wo wollen Sie denn schon hin? Bleiben Sie doch noch da!«
Knaps reckte sich, stand auf und griff nach seiner Mütze. »Es ist Zeit. Leben Sie wohl …« sagte er gähnend.
»Warten Sie, ich will Sie begleiten.«
Dubow und Knaps zogen sich an und traten auf die Straße. Die ersten hundert Schritte gingen sie schweigend.
»Wissen Sie niemand, dem ich den Hund schenken könnte?« fing der Leutnant an. »Haben Sie nicht einen Bekannten, der ihn nehmen würde? Der Hund ist, wie Sie eben sahen, gut und rasserein, aber … ich brauche ihn absolut nicht!«
»Ich weiß wirklich nicht, mein Lieber … Was habe ich hier auch für Bekannte?«
Bis zur Wohnung Knaps versetzten die Freunde kein Wort mehr. Erst als Knaps dem Leutnant die Hand gedrückt und das Haustor geöffnet hatte, hüstelte Dubow und sagte unentschlossen:
»Wissen Sie nicht, ob die hiesigen Abdecker Hunde nehmen?«
»Wahrscheinlich nehmen sie welche … Bestimmt kann ich es Ihnen nicht sagen.«
»Morgen schicke ich ihn mit dem Wachramejew hin … Hol’ ihn der Teufel, soll man ihn nur schinden … Ein abscheulicher Köter! Er macht nur alle Zimmer schmutzig und hat gestern auch noch das ganze Fleisch in der Küche gefressen, das gemeine Vieh … Wenn es wenigstens eine gescheite Rasse wäre, aber es ist, weiß der Teufel, eine Kreuzung zwischen einem Hofhund und einem Schwein. Gute Nacht!«
»Leben Sie wohl!« sagte Knaps.
Das Tor fiel ins Schloß, und der Leutnant blieb allein.