von Ludwig Thoma
Seppl, tua no a Hand voll in Pöller nei und setz ’s Kapsel auf! Hast as? So, und jetzt paß auf’n Peterl auf, wann er sein Huat in d’ Höh schmeißt, na geht’s los.“
„Hamm ma’s? Firti!“
Pum! Pum! Pum!
Im nämlichen Augenblick, wo droben auf der Kraglfinger Höh der Gemeindediener und Kanonier seine Pflicht tut, kommandiert herunten im Dorf der Herr Kapellmeister: „Ganzes Batallion, vorwärts maarsch!“ und tschindadaradada, tschindadaradada geht der Tarebell an.
Das ist aber nicht wie in der Stadt, wo aus jedem Fenster ein verschlafenes Gesicht herausschaut und wieder verschwindet, wenn die Musik vorbeimarschiert ist. Da stehen schon die meisten Leut unter der Haustür und warten bloß auf das Mitgehen; wenn wirklich einer noch im Bett liegt, dann geht es heraus wie beim Feuerlärm. Waschen gibt’s heut nicht in dem Fall und die nächsten fünfzig Schritt hat er die andern schon eingeholt.
Also lustig durchs Dorf, beim Lamplwirt vorbei, wo gerade eine Sau ihren letzten Schrei tut, und hinauf zum Oberwirt, dann wieder hinzruck, und so weiter, bis der C-Trompeter erklärt, jetzt sei ihm die Herumlauferei zu dumm und er tät nimmer mit.
So bricht der große Festtag in Kraglfing an!
Allgemach wird es sieben Uhr.
Beim Gemeindehaus hat sich bereits das Komitee versammelt und wartet auf die einheimischen und auswärtigen Vereine.
Der Hofbauer ist in hellichter Verzweiflung, weil er überall notwendig wär und sich doch nicht in drei Teil auseinanderreißen kann.
„Wenn i nur wisset, wia i dös macha soll, Lippel,“ sagt er. „Beim Lamplwirt warten dö Veterana aufmi und beim Unterwirt d’ Feuerwehr. D’ Veterana muaß i kummandieren, sunst kemman’s daher wia a Herd Schaf; bei der Feuerwehr bin i schier gar no notwendiger, denn was taten dö ohne Spritzenkommandant? Und wenn i nöt da bin, wer begrüaßt nachher dö Verein? Du ko’st bloß dö Red, dö wo Du auswendig gelernt hast, und dö liegt Dir im Mogen wia a dreipfündiger Knödel, dös ko guat wer’n.“
Aber der Herr Medizinalrat schenkt ihm kein Obacht; er schaut mit ein paar gläserne Augen bloß alleweil auf die Kirchenuhr und mit jedem Ruckerl, den der Zeiger macht, wird’s ihm schlechter.
„Jetzt is scho simmi,“ sagt er für sich hin, „um halb achti kemma dö Auswärtigen, in oana Stund muß ich mei Red halt’n. Auweh, auweh, i wollt, i lieget dahoam im Bett.“
„Hörst net,“ fangt sein böses Gewissen, der Hofbauer, wieder an, „moanst vielleicht, wenn’st a G’sicht machst, wia a verbrennte Wanzen, nachher traun si dö Verein net her? Was hast g’sagt?…“
„I wollt,… i wollt, mir hätt’n koa Fahn,“ sagt der Lippel.
„So? Wer hat denn nachher die ärgsten Sprüch runterg’haut vom Ehrenbanner und Fahnajunker und Pratzen hinwischen? Woaßt wos, i geh jetzt zu meine Veterana, vo mir aus ko’st ins empfange, wia’s D’ magst. Pfüat Di!“
Und damit geht das dreifache Festkomitee, der Hofbauer, vom Gemeindehaus weg zum Lamplwirt, wo die Herren Kameraden bereits einen Eimer Bier und etliche Kränze Stockwürst beiseite geschafft haben.
„Ah! Der Herr Fürschtand! Aa scho da? Host do Zeit vor lauta Pfeiferlverein?“
Mit solchen Fragen wird er empfangen, aber das bringt ihn nicht aus der Ruhe. „Mi scheint,“ sagt er, „i kimm alleweil no früh genua zu die Würschthäut; was anders habt’s a so nimmer übri lassen. Aber jetzt stellts enk auf, daß ma koa Zeit vertrag’n. An—trötten! Schtüll schtanden! Rechts um! Vorwärts maarsch!“
Der Polensepperl schlagt einen Wirbel, und dann geht es Schritt und Tritt zum Gemeindehaus.
Wie der Zug dort ankommt, schreit der Hofbauer wieder: „Pa-tal-jon haalt! Front!“
Und dann geht er ernsthaft auf den Bader zu, legt zwei Finger an den Hut und sagt: „Zur Schtölle!“ (Stelle.)
„So,“ meint der Lippl, „bist wieder do? Dös is g’scheid, d’Feuerwehr werd a glei do sei.“
Aber der Hofbauer rührt sich nicht und hat immer noch die Finger an der Hutkrempen.
„Du muaßt an Verein begrüaßen,“ pispert er.
„Ja so! S’Good, meine Herren! Es freut mi, daß s’ do san. Dö andern wer’n aa nimmer lang aus sei.“
„A schöne Begrüaßung,“ brummt der Hofbauer, aber es erbarmt ihn über den armen Bader und er tut, als sei alles in Ordnung.
Deswegen winkt er dem Kapellmeister, der den Präsentiermarsch aufblasen läßt; drei Chargierte, der Fahnenjunker und zwei Begleiter, treten vor und nehmen bei dem Bader Aufstellung; die andern Herren Kameraden dürfen nach dem Kommando „Rührt euch“ Schmalzler schnupfen und einen Diskurs anfangen.
Gleich darauf kommt die Feuerwehr, ausgerüstet, als wenn es brennen tät. Bloß daß sie die Spritzen daheim gelassen haben.
Diesmal übernimmt der Hofbauer die Begrüßung, und es klappt besser. Die Zeremonie ist noch nicht ganz fertig, da laufen schon die Schulbuben daher und schreien: „d’Huglfinga kemma“, „d’Zeidelhachinga kemma“. Beim Schulhaus herum zeigen sich die Fahnen, schmetternde Musik ertönt, der Hofbauer setzt sich in Positur:
„Achtung! Präsentieret’s G’währ! Halt! Schtüll schtanden! Front!“
Ein Mordsspektakel, Präsentiermarsch, Kommando, einer brüllt lauter wie der andere; bloß der Bader ist mäuserlstill und macht ein Gesicht, als tät man ihm am ganzen Leib Schröpfköpf setzen.
Ich will es kurz machen und berichte nur, wer alles gekommen ist.
Also zuerst die Huglfinger Veteranen, hernach die Zeidelfinger Veteranen. Dann die Zeidelhachinger Feuerwehr, die Hintermochinger Feuerwehr, der Gesellenverein von Kraßling, die Bachinger, Feichtelhauser, Simmertshofer, Grublinger, Roglinger Feuerwehren, die Watschenbacher, Bratlhauser, Obermoorer Veteranen, die Zimmerstutzenschützen von Glaching, Lackelhofen und Wutzling, und zuletzt der Aloisiusverein von Winzing, 17 Vereine mit 22 Fahnen, denn mehrere haben eine alte und eine neue gehabt.
Nach dem Festprogramm mußte jetzt ein Zug arrangiert werden zum Lamplwirt, wo der Festplatz hergerichtet war und die feierliche Uebergabe der Fahne durch die Ehrenjungfrauen erfolgen sollte.
Das ist aber leichter gesagt als getan. Denn bis fünfhundert Mannerleut in Ordnung stehen und jeder Verein einen Platz hat, der ihm paßt, nicht zu weit vorn und nicht zu weit hinten, geht es lang her.
Endlich war alles so weit, daß es losgehen konnte.
An der Spitze marschierten die Ehrenjungfrauen, dann kam der Rauchklub hinterdrein, der neugewonnene Kartell- oder Bruderverein, die Zimmerstutzenschützen von Wutzling; die andern folgten in wohlbedachter Ordnung.
Dreimal ging es um Kraglfing herum, dann hielt der Zug beim Lamplwirt.
Auf dem Podium stellten sich die Ehrenjungfrauen in ihren frischgewaschenen weißen Kleidern auf; ihre Anführerin, die Hofbauern Cenzl, hielt das Band, welches die Frau Badermeisterin für die neue Fahne gestiftet hatte.
So war alles bereit, und der feierliche Akt konnte beginnen.
Unter der Haustür des Lamplwirtes erschien der Nazi mit dem verhüllten Banner. Seine riesigen Hände krampften sich um den Schaft, seine Blicke waren nach vorne gerichtet, und er ging unter den Klängen des Mussinanmarsches auf das Podium so ängstlich zu, als trüge er einen ebenvollen Teller Suppe und dürfe kein Tröpferl verschütten. Weil er den Antritt nicht sah, kam er ins Stolpern und fiel streckterlängs auf das Podium hinauf. Zum Glück passierte der Fahne nichts; es war so Aerger und Schand genug für den Nazi, wie die dummen Leute lachten und schrien. Er putzte sich die Knie ab und merkte sich in der Geschwindigkeit ein paar Huglfinger, die am lautesten taten.
Allmählich wurde es wieder still, und man wartete darauf, was jetzt kommen würde. Und lang kam gar nichts.
Die am nächsten beim Podium standen, konnten sehn, wie der Hofbauer den Lippel am Aermel zog und in ihn hineinredete; hie und da verstand man auch ein paar Brocken.
„Lippl, Du kimmst dro. Mach, daß D’ auf kimmst.“
„I ko net.“
„Du muaßt.“
„Na! sag zu die Leut, ich bin krank worn, oder mir hat’s d’ Red verschlag’n. Mir is alles gleich.“
„Dös geht net. Da schaug zu Deiner Frau num, de wart’ aa scho auf Di. Was moanst denn, daß de sagen tat?“
„Hofbauer, geht’s gar net anderst?“
„Na,“ sag i, „Du muaßt Dei Red halt’n.“
„In Gott’s Nam!“
Und mit einem tiefen Seufzer, der bis zuhinterst aus dem Magen herauskommt, steigt der Bader auf das Podium.
Das Aussehen ist so, als müßt er seinem besten Freund die Leichenred halten, und könnt nicht anfangen vor lauter Wehmut und Trübsal.
„Hochansehnliche Festversammlung! Indem… wo wir uns heite versammelt haben…, ja, gesammelt haben, ah…, indem daß wir ein Fest feiern. Es ist ein seltenes Fest, es ist ein erhabenes Fest, es ist ein großes Fest…, es ist ein Fest und eine erhabene Trophöe, die wo wir in Händen halten. Blicket hinauf, wo unser Rausch dem Banner folgt.., ah, wo unser Banner, wo der Rausch…, jetzt kon i nimmer…!“
Sternelement! Kreuzbirnbaum und Hollerstaud’n, ist das zuwider! Jetzt steht das Häuferl Elend da droben auf dem Podium und schnappt nach Luft wie ein geangelter Karpfen! Sonst hat er jeden Abend auf der Bierbank eine solche Bratlgoschen, daß man meint, er könnt alle Politiker niederreden, wann er bloß möcht, und jetzt blamiert er ganz Kraglfing und bringt nicht einmal die Pamperlred fertig. Was bloß die Auswärtigen daheim erzählen werden!…
Aber gottlob, da steht schon der Helfer in der Not bei ihm, der Hofbauer.
„Hochgeehrte Festversammlung,“ schreit er, „liebe Gäste und Kameraden! Unserm Herrn Fürstand is a Malheur passiert; er hat mir gestern scho gesagt, daß er ein fettes Schweinern’s derwischt hat und jetzt hat er a Fieber kriagt. Aber dös macht nix. D’ Hauptsach is die Meinigung, und dös, was er sagen hat wollen. Und drum der Rauchklub soll leben; füfat hooch! hooch! hooch!“
Das soll dem Hofbauer ins Wachs’l druckt werden, daß er die Geschichte noch so herausgerissen hat, das soll ihm schon keiner vergessen.
Indes hat das Fest doch nach dem Programm weitergehen können; der Nazi enthüllt die Fahn, die Cenzl hängt das neue Band hin und halt dann die Fahn so lang, bis die Leixenbauern Nannl ihren Vers hergesagt hat.
Noch gleichet eier kleiner Kreis
Dem leicht bewegten schwachen Reis,
Doch wird er wachsen immerdar
Und größer werden Jahr für Jahr,
Wenn ihr, wie jetzt in Einigkeit,
Nur pfleget die Geselligkeit,
Drum, daß ihr immer tut desgleichen,
Des sei die neue Fahn ein Zeichen,
Weil Freindschaft steht auf dem Panür,
Drum leb der Rauchklub für und für.
Gemacht hat das Gedicht der Herr Hilfslehrer, und ich behaupte, daß es schön war. Auch muß ich sagen, daß die Nannl ihr Sach brav machte; sie legte jedesmal den Ton auf die letzte Silbe, damit man hören könnte, daß sich die Versl auch reimen, und mit der Hand fuhr sie so schön auf und ab, als tät sie G’sott schneiden.
Den Zuhörern hat es gut gefallen, und jedenfalls wäre der Eindruck noch besser gewesen, wenn nicht viele Leute auf den Bader Obacht gegeben hätten, der seit einer Viertelstunde alleweil Leibschneiden markierte, damit jeder an seine Krankheit glauben möcht.
Mit der Nannl ihrem Gedicht war der Festakt beim Lamplwirt gar.
Der Zug stellte sich wieder auf, nachdem der Nazi die Fahne von den Ehrenjungfrauen zurückbekommen hatte, und man marschierte lustig zur Kirche hinunter.
Ich denk aber, wir gehen nicht mit, weil doch noch mehreres zu beschreiben ist, und schauen lieber zum Oberwirt hinauf, wo für den Frühschoppen und das Mahl schon alles hergerichtet ist.
Der Saal ist bald betrachtet. Er schaut so farbenprächtig aus wie ein Karussel auf der Oktoberfestwiesen; lauter rote und blaue Tüchel hängen an der Wand, und zwischen zwei Fenstern ist allemal ein Spiegel. Die Fenster sind gut zugeschlossen, daß „der Sommerluft“ nicht herein und der Fliegenschwarm nicht hinaus kann. Es ist deswegen schon jetzt recht angenehm warm in dem Tanzsaal. In fünf langen Reihen stehen die Tische, alle sauber gedeckt, was einen freundlichen Anblick gewährt.
In der Kuchel erfragen wir bei der Frau Wirtin, die einen brennroten Kopf auf hat und mit sehr vernehmlicher Stimme ihre Trabanten kommandiert, was es heut für gute Sachen gibt.
Zum Frühschoppen: Lüngerl mit Knödel, hernach Bratwürst und Stockwürst.
Zum Mahl: Leberknödel, Gansjung, Rindfleisch, Gänse und Enten, hernach Schweinernes und Kälbernes, und zum Draufsetzen Schmalznudeln mit Sauerkraut.
„Moanens, daß dös Menü g’langt?“ fragt die Frau Wirtin, da hört man schon um das Eck herum einen schmetternden Marsch blasen.
Das ruft in der Kuchel eine schreckhafte Aufregung hervor.
„Cenzl, Gretl, Nannl, d’Würscht ei’toa! Moni, wo steckst denn? Den großen Hafen her. D’Würscht umrühren! D’Teller herrichten… Ratsch, pum! Jessas, Marei! Jetzt laßt das Weibsbild einen Arm voll Teller fallen! Glaubst, i hab’s g’stohlen?“…
Das Wasser zischt auf dem Herd, Dampfwolken steigen aus den Kesseln auf, Teller klirren, Befehle ertönen, und dazu blasen jetzt ohrenzerreißend die ersten Musiker schon im Hausgang. Immer neue Scharen drucken herein, und in kurzer Zeit ist der Saal gesteckt voll.
Die Kellnerinnen laufen hin und her, stellen da einen riesigen Hafen voll Lüngerl hin, dort einen Schanzkorb voll Knödel, bringen im Geschwindschritt die gefüllten Krügel und Gläser, hören da auf eine Frag, geben dort eine Antwort, kurz, eine Viertelstund lang ist alles in Aufregung und Bewegung, bis jene Ruhe eintritt, die bezeugt, daß gottlob jeder Gast sein Sach hat, und die nur von dem behaglichen Schlürfen und Löffelklappern unterbrochen wird.
In diese Idylle hinein blast auf einmal der C-Trompeter das bekannte Signal, und es erhebt sich am mittleren Tisch die lange Gestalt des Hofbauern, welcher die erste von seinen vorhabenden drei Reden losschießen will.
„Meine Herrna! Lübwerte Festgenossen! Wür kommen von einer erhebenden Feuer, und die zindenden Worte unseres Fürschtandes, des Herrn Lippl, sind noch in unserer Erinnerung. (Murmeln und Gelächter.) Aber indem unser Fest so schön geworden ist, müssen wir nachdenken, wer schuld daran ist. Das sünd die Verein, die wo mitgewürkt haben, das sünd die Gäste, die wo gekommen sünd. (Bravo!)
Lübe Vereinsbrider! Das ist ein schönes Zeichen von Briderlichkeit, indem daß von weit her die Leut gekommen sünd, und das dürfen wir nicht vergessen, indem sie so große Opfer gebracht haben und heite noch bringen werden. (Bravo!)
Die Fahnenweuhe ist wie eine Kindstauf, wo die Hauptsach der Göd (Pate) ist. Unsere Göden, das sind die Gäst, und wür missen ihnen versprechen, daß wir brave Godeln sein wollen (Heiterkeit), jawohl! und daß wir überall hinkommen wollen, wo sie ein Fest feuern, und uns durch gar nichts abhalten lassen, indem, daß auch wir briderlich sind. (Bravo!)
Lübe Vereinsbrider! Die Göden sollen leben hooch, hooch, hooch! Mit gedämpfter Schtümme hooch!“
Eine gute Red ist mehr wert als zehn Musikstück; sie macht mit einem Schlag eine freundliche Stimmung, und jeder wird lustig, wenn er sieht, daß das Richtige gesagt worden ist. Freilich meinen dann viele, sie müssen noch ein bisserl was dazu tun, damit ja nichts mehr fehlt, und deswegen kriegt überall, in Kraglfing so gut wie anderswo, eine gute Red so viele Junge.
Wenn die Festgäste jedesmal mit Essen aufgehört hätten, sobald der C-Trompeter verkündigte, daß wieder einem eine Red not sei, dann wären alle Schüsseln kalt geworden. Sie paßten nicht mehr auf und säbelten ruhig weiter, und so ist wohl manches richtige Wort vor Tellerklappern und Messerklirren überhört worden.
Nach dem Hofbauern stand der Vorstand der Wutzlinger Schützen auf und feierte den jungen Verein, hernach kam der Feuerwehrkommandant von Zeidelhaching mit einem Hoch auf die Veteranenvereine, der Loibl von Watschenbach ließ dafür die Feuerwehr leben, und so ging es weiter, bis alle siebzehn Vereine wenigstens einmal zum Wort gekommen waren.
Dazwischen wurde auf das Trinken nicht vergessen, und als das Mahl seinem Ende zuging, war die Stimmung schon recht gehoben. Bald stand dort und da einer von seinem Platz auf, um am benachbarten Tisch einen Besuch zu machen und Bescheid zu trinken, alte Freunde rückten näher zusammen und begannen einen wichtigen Diskurs über das heurige Jahr und den miserabligen Wachstum, und an den Tischen, wo die Jungen saßen, probierte schon hie und da einer seine Singstimme.
Die Temperatur war gut warm geworden und an der Decke erstickten die Fliegen langsam im Zigarrenrauch.
Der letzte Gang war vorbei, die meisten hatten schon von dem Bratl nichts mehr gegessen, sondern ihr Teil säuberlich mit ein bissel Sauce und Salat eingewickelt für Weib und Kind; jetzt hieß es aufbrechen zum Lamplwirt, wo mit Gartenfest und Ball das Fest seinen Abschluß finden sollte. Die Jungen waren rasch verschwunden, mit Ausnahme der Fahnenträger, die sich jetzt über ihre bevorzugte Stellung ärgerten, weil sie nicht so schnell zu den Mädeln kommen konnten und langsam mit ihren Fahnen nachgehen mußten. Die Aelteren blieben noch ein wenig beim Oberwirt sitzen; besonders der Bader konnte sich nicht entschließen, das Lokal zu verlassen; es grauste ihm ein bissel vor seiner besseren Hälfte wegen der Festrede, und um sich möglichst gut für daheim vorzubereiten, erklärte er jetzt seinen Tischnachbarn Art und Ursache seines Leidens.
„Also,“ sagt er, „i steig aufs Podium, und wia ’r mit’n rechten Fuaß nachtritt, spür i scho so a spassige.. wia muaß i glei sag’n.. so a, so a.. Oes versteht’s mi scho..“
„Jawohl,“ sagt der Hofbauer.
„Also i denk mir, auweh, Lippl, da hat’s was, und richtig, wia ’r i ’s Maul aufmach, is mir grad, als wenn ma oana mit an glühenden Eisenstangel in Mag’n neistechet und drahet ’s drin a paarmal um… es hat mei ganze Geisteskraft dazu g’hört, daß i überhaupts red’n hab kinna, an anderer war umg’fallen…“
„Ah, ah, dös is a merkwürdige G’schicht,“ sagt der Loibl von Winzing, „aba jetzt is da wieda bessa?“
„No, wia ma’s nimmt,“ meint der Lippl, „ma muaß halt an Energie hamm…“
„Aba dös Schweinerne, wo Dir de Beschwerden g’macht hat,“ fällt jetzt der Hofbauer ein, „dös hast do ziemli guat zuadeckt. Drei Paar Stockwürscht und von jedem Gang a halb’s Pfund hat Di wieder aufg’richt.“
„Gel,“ schreit jetzt der Lippl, „gel Hofbauer, Du moanst, Du bist jetzt der Grasober, weilst Dei alte Veteranared aufg’warmt hast. So a Red ko oana mit dem größten Leibschneiden halt’n, da wer’n höchstens dö andern Leut krank, aba mei Red’…“
Wir wollen den Disputat, der immer heftiger wird, verlassen und auch schön langsam durch das Dorf zum Lamplwirt hinuntergehen.
Die Fröhlichkeit im Garten bleibt nicht lange aus, denn die Mannerleut haben schon vom Mahl her angerauchte Köpfe, und die Weiberleut sind leicht zufrieden, wenn sie auch einmal beim Bier sitzen dürfen.
Aus dem oberen Stockwerk des Wirtshauses rauscht die Tanzmusik; also ist da die Lustigkeit auch schon im Gang, sie entwickelt sich jetzt unten und oben gleichmäßig weiter.
Herunten wird die Unterhaltung mit jeder Viertelstunde lauter. Die Einigkeit in den Meinungen schwindet, und alte Feindseligkeiten werden aufgefrischt im Bierdusel.
„Moanst, i woaß net, daß D’ im Auswarts (März) ’s March verruckt host,“ fangt einer an, „aber moring laß i de Feldg’schworna kemma, da werd si Dei Schlechtigkeit ausweisen.“
„Wos hob i?“
„Jawohl host as. Und in Roan host einig’ackert. Aba jetzt kimm i Dir advikatisch.“
„Seid’s doch staat, Leut! Zum Streiten seid’s do heunt net do,“ mahnt ein Vernünftiger ab und bewirkt für diesmal Ruhe.
Aber schon hört man unfreundliche Laute von einem andern Tisch her.
„Wos bin i? Wos host g’sagt? A schlechta Mensch bin i?“
„Bst! Staat! D’Musik spielt.“
Noch hat sie Macht über die Gemüter und verkehrt den aufflammenden Zorn in Heiterkeit. Die männlichen Zuhörer begleiten mit Fingerschnackeln und Pfeifen den lustigen Marsch. Besonders der Loibl von Huglfing ist völlig ein Virtuos in der Kunst, denn er bringt auch die tiefen Töne fertig, indem er das Maul zuspitzt wie einen Schweinsrüssel und mit der Hand drauf schlagt.
Wer das Landleben nicht kennt, hätte jetzt meinen können, der Friede sei endgültig hergestellt, denn die Lustigkeit dauerte jetzt an und kam schon in das zweite Stadium, das Singen nämlich. In Gruppen zu drei und vier tut sich an jedem Tisch eine Sängergesellschaft zusammen. Einer schaut dem andern unverwandt auf den Mund, bis ein hoher Ton heraus muß; dann drückt jeder die Augen zu und schreit, so laut als er kann. Von links und rechts, aus jedem Eck heraus johlt die Sängerschar, unaufhörlich und mit einem Eifer, als tät jeder ein Spielhonorar dafür kriegen. Der alte Pfundmaier von Huglfing ist ganz glückselig, weil ihn die andern an seinem Tisch vorsingen lassen, und einmal über das andermal sagt er:
„Ja, wann i no dreiß’g Jahr alt war! Do hob i g’sunga! Wie a Zeiserl! Aba es geht heint no. Paßt’s auf, jetzt singa ma das Liad vom Jägersmann:“
Es wollte ein Jägerlein jagen
Dreiviertel Stunden vor Tag,
Wohl in dem grünen Wald, jaaa! jaaa!
Wohl in dem grünen Wald!
Das Lied hat sechzehn Strophen und braucht eine gute Stimm, denn bei dem „jaa“ muß der Pfundmaier schreien, daß ihm die Augen naß werden. Aber er hat recht, es geht noch, und er singt den Schluß so laut wie den Anfang:
Kein Kränzigen darfst du nicht tragen
Auf deinen goldenen Haar,
Ein Weißhäublein mußt du jetzt haben
Wie andere Jägersfraun jaaa! jaaa!
Wie andere Jägersfraun.
„Brafo! brafo, Pfundmoar! Setz no oos drauf!“
Da Leberknödel und da Fastenknödel
Hamm sie mit anand z’trag’n,
Da hat da Leberknödel an Fastenknödel
Uebern Tisch obi g’schlag’n.
Bitt Di gor schea, bitt Di gor schea,
Zoag mar an Weg an d’Mühl oi,
Kost net irr gea, kost net fei gea,
Wat no mitt’n an Boch oi.
„Brafo! Jui! Da Pfundmoar soll leben!“ Wie an dem Tisch, so geht es an allen anderen zu; immer lauter wird der Gesang, und immer schneller werden die Maßkrüge leer.
Wer sich auskennt, der weiß, daß die Luft jetzt mit Zündstoff geschwängert ist, und nicht umsonst geht der Wirt jetzt im Garten herum und gibt auf den kleinsten Streit scharf Obacht. Zwei Metzgerburschen stehen an der Bierschenke mit aufgekrempelten Aermeln und warten auf den Befehl, daß sie einen hinauswerfen müssen.
Da winkt der Wirt. „Halt, Loibl, was gibt’s da? G’rafft werd nix.“
Der Loibl und sein Nachbar, der Reischelbauer, liegen sich aber schon in den Haaren, und jeder zieht aus Leibeskräften den Gegner bei der Stirnlocke hin und her „Ausanand sog i! Schorschl, tua’s aussi.“
In einem Augenblick liegt der Loibl unter dem Tisch, und der Reischl wird aus dem Garten hinausgekugelt wie ein Bierbanzen.
Aber schon spektakelt es wieder ein paar Schritt weiter daneben.
„Du Haderlump, Du stehltst Dei Sach, und i muaß ma’s vodean! Du begehst ja Dei’s Nächsten Guat!“
„Sag’s no’ mal,“ schreit der andere. Diesmal macht die Kellnerin Frieden; sie haut mit dem Abwischhadern in den Tisch hinein, daß jeder von den zwei Streithanseln einen spanischen Nebel in das Gesicht bekommt, und nimmt ihnen resolut das Bier weg. Die Nachbarn legen sich dazwischen, und so gelingt es nochmal die Ruhe herzustellen. Auf das offene Pulverfaß ist Wasser geschüttet. Der Wirt traut dem Landfrieden nicht mehr und geht an den Tisch, wo die Vorstandschaft und das Komitee sitzt. „Hofbauer,“ sagt er, „ös müßt’s was toa, sunst hab i in oaner halben Stund koan ganzen Stuhl mehr. Am Tanzboden hab i scho fünf rausschmeißen lassen, und herunt fangen’s aa schon o. Schau no hi, do stengan scho enkere Burschen bei der Haustür beinand. Dös bedeut nix Guats.“
„Halt!“ sagt der Bader, „dös wern ma glei hamm, dös mach i; i halt a Red…“
„Dös gibt’s net,“ fallt seine Frau ein, „Du haltst gar nix als wia Dei Maul. Moanst, i mag nomal so dasteh’ wia heint vormittag?…“
„Eine solchene Sprach verbitt i mir, was fallt denn Dir ei? Vorstand bin i, und Punktum!“
„Oho!“
„Frau Lippel, lassen’s eahm sei Red halt’n,“ interveniert der Hofbauer, „vielleicht gibt’s a Gaudi, dös war dös beste Mittel.“
Die Gattin läßt sich endlich herbei, und ein paar Minuten später steht der Herr Lippel in seiner ganzen Größe auf dem Stuhl und wartet darauf, daß sich der Lärm legt.
Nach vielen Bemühungen gelingt es den Musikern und den Komiteemitgliedern, die allgemeine Aufmerksamkeit auf den Redner zu lenken.
„Meine Herren,“ beginnt dieser, „Hochansehnliche Föstversammlung! Indem ich umherblücke und indem ich den heintigen Tag anschaue, kommt es mir traurig vor, daß ein solchenes Fest aufhören muß. Aber alles hat ein End, und dieses muß ich jetzt bereiten. Aber bevor wir allmählich auseinandergehen, schauen wir noch einmal zurück auf die Freiden, die wo wir gehabt haben. Und wir fragen uns zuerst, warum wir ein solches Fest und eine solchene Freid gehabt haben. Nur deswegen, weil wir uns alle lieb haben, weil Friede und Eintracht unter uns wohnen….“
Die letzten Worte verklingen in einem gräulichen Lärm, der sich vom Tanzboden her erhebt. Fensterscheiben klirren, die Mädel stoßen gellende Schreie aus, und über die Stiege herunter poltert und rumpelt unter wütenden Rufen ein dichtgedrängter Haufen. Kaum sind die vordersten im Garten angelangt, ertönt schon das verhängnisvolle Patschen und Klatschen, das jeder Eingeborene kennt. Vergeblich stürzt sich der Wirt mit seiner Hilfsschar unter sie; der Haufen wird immer größer, der Knäuel immer dichter. Der uralte Haß zwischen den Huglfingern und den Kraglfingern ist zum Ausbruch gekommen, und die Zeidelfinger benützten die günstige Gelegenheit, um an den Ansiedlern von Lackelhofen ihre Wut auszulassen. Und so auch die andern. Im Nu ist der Garten in einen Kampfplatz verwandelt. Durch Pfeifen und Zurufen finden sich die Dorfschaften zusammen, und nun beginnt eine homerische Schlacht.
Wütendes Schnaufen, Stampfen, Schreien; Tischfüße knaxen, Köpfe krachen, da und dort fliegen klirrend die Scherben von Krügen und Tellern. Im dichtesten Haufen ficht die streitbare Jugend, weiter abseits steht das ehrwürdige, aber doch kampfbegierige Alter und entsendet mit sicherer Hand die Wurfgeschosse. Der Hofbauern Nazi hat seine Aufgabe erkannt; er ergreift die Fahne mit der Linken und stürzt sich in das Gewühl; seine ledernen Handschuhe erweisen sich ebenso tauglich zur Parade wie zum Hieb. Das flatternde Panier weist den Kraglfingern den Weg zur Ehre, und so wogt der Kampf hin und wider.
Allmählich jedoch ermatten die Kräfte; immer mehr Kämpfer verlassen das Blachfeld, um an den Brunnen und in den Teichen des Dorfes die brennenden Wunden auszuwaschen. Jetzt gelingt es dem Wirt und der Gendarmerie, durchzudringen und die Völker zu trennen. Aber wie sieht der Festplatz in der Abenddämmerung aus!
Kein Tisch steht mehr auf seinen Füßen, kein Stuhl kann sich mehr gerade halten; Fetzen von Kleidungsstücken liegen auf dem Boden neben Hüten und ehemaligen Halstüchern; in den Bierlachen liegen die Scherben der Maßkrüge, und da, wo der Kampf am heftigsten war, wo der Kies am stärksten aufgewühlt ist, liegt der zerbrochene Schaft und die zerstückelte Fahne des Rauchklubs Kraglfing.