Von Fritz Barschdorff

 Stand die kleine Gruppe Dienstmänner an der Straßenecke, vor dem rechten Ladenfenster, so daß man ihre vom Alter und Lastenschleppen gebeugten Rücken lange Zeit fast unbeweglich sah, so wußten es die Eingeweihten: der wilde Max erzählt …

Zu dieser Gruppe gehörte Anton, der auch der versoffene Anton hieß. Da er zugleich Couleurdiener einer studentischen Verbindung war, fiel auch hier für ihn der nötige Alkohol ab. Mit Vorliebe trug Anton Turnschuhe. Die drückten nicht und waren angenehm leicht. Er trug sie auch an seinen Ausgehetagen. Da wußte er aber auch, was sich für einen Couleurdiener ziemt. Denn er zog an solchen Tagen seine weißen Hosen und seinen schwarzen Gehrock an, setzte einen steifen Hut auf sein Haupt, und hielt einen derben Spazierstock in der Hand, der an einem der studentischen Kneipabende in irgendeiner Ecke stehengeblieben war. So ausgerüstet, besuchte er die vielen kleinen Gastwirtschaften, in denen er durch seine weitverzweigte Tätigkeit bekannt war – drückte dem Wirt die Hand, begrüßte ein paar Gäste, trank einen Schnitt Bier oder einen Schnaps und ging in die nächste Kneipe. Alles eilig und wichtig, als hätte er ein dringendes Geschäft zu erledigen. »Ooch hinne heite, Anton?« scherzte der eine oder andre. »Ich mache heite de Runde – kene Zeit – ich komme sonst nich rum«, antwortete der mit heiserer Stimme, die einem Grunzen glich. Hatte er so gewissenhaft keine ihm bekannte Kneipe vergessen, so war sein Gesicht noch röter und aufgedunsener als sonst, und sein Ausgehetag war damit zu Ende.

Einen andern Dienstmann, dem die weißen Haare in dichten Strähnen unter seiner Mütze hervorsahen, nannten sie den Schtumpelschtecher. Er sammelte weggeworfene oder an Schaufenstern und Treppenhäusern weggelegte Zigarrenstummel. Er gab das aber niemals zu. Er rauche nur, wenn es ihm schmecke. Und wenn er da manchmal mit einer Zigarre erst zur Hälfte wäre, bewahre er sie auf, bis es ihm wieder schmecke. Die Stummel zerschnitt er zu Pfeifentabak, oder er rauchte sie, wenn sie noch gut erhalten waren, in seiner schwärzlichen, verräucherten Zigarrenspitze.

Der dritte der Gruppe war der kleine schmächtige Abraham, der viele Jahre bei der Heilsarmee gewesen war. Von ihm sagte der wilde Max, daß er immer die »Zwenksche Krankheet«2 hätte. Abraham galt als verrückt, weil er je nach Jahreszeit oder Laune seine Fußbekleidung wechselte, fortwährend Selbstgespräche führte, wobei er auf die Frage, ob er etwas gesagt habe, stets mit »Wie?« antwortete. Kein Zweifel, er war verrückt. Im Winter trug er Filzschuhe, dann wieder einmal hohe Schaftstiefel oder Schuhe der verschiedensten Art, die er von denen geschenkt bekam, die überflüssiges Schuhwerk hatten und ihn kannten. Nicht selten besserte er sie auch selbst aus. Lange Zeit trug er auch ein Paar Lackschuhe, in die er nicht wenig verliebt war. Sie mußten ehedem für feine, schmale Füße gearbeitet worden sein. Durch Abrahams Füße waren sie ausgetreten und hatten sich nur noch ihre lächerlich erscheinende Spitze bewahrt. Oft, wenn er mit vorgestreckten Beinen an der Mauer lehnte, spuckte er ein ganz klein wenig auf die Lackspitzen und rieb sie dann abwechselnd an den Hosenbeinen, bis sie ganz blank waren.

2Zwenksche (von dem Dorf Zwenkau herrührend) Krankheet: Husten, Schnuppen un kee Geld.

Begann der wilde Max zu erzählen, so zögerte er stets, sich sofort mit hinzustellen. Die verdammten Geschichten hielten einen bloß von der Arbeit ab. War es doch schon vorgekommen, daß ihm ein Reisender auf die Schulter geklopft hatte, wo es doch umgekehrt sein sollte! Wenn man halbwegs ein paar Groschen verdienen wollte, mußte man schon höllisch hinterher sein. Wenn hier auch ein Kreuzungspunkt vieler verkehrsreicher Straßen war, der Bahnhof und die ankommenden Reisenden gut beobachtet werden konnten, so war doch wiederum gegenüber der Standort der Droschkenkutscher und der einer andern Gruppe Dienstmänner, die ihnen manches Geschäft vor der Nase fortschnappten. Da saß da drüben der feine Bernhard, dem man jedes Wort abkaufen mußte, und der so tat, als wäre er wunder was. Dabei hatte er doch sein ganzes Geld verjuchhet, der alte Sünder. Da waren Schlosserkarl und Schmiedtemil, die beide Fahrräder hatten. Und das Unikum erst, die Kaulquappe. Wie klein und fett er war, und der kurze, gedrungene Hals, den er hatte, fast war es gar keiner. Und seine großen hervorquellenden Froschaugen.

Den größten Triumph hatte die Gruppe am Schaufenster, als die Rollschuhmode aufkam. War das ein Gaudium, als die Kaulquappe mit Rollschuhen an den Füßen täglich mehrmals um die Verkehrsinsel herumsegelte, die sich in der Mitte des Platzes befand. Wie ein hilfloses Wrack, oder wie einer, der einen Schwips weg hat und obendrein Seil tanzen will. Das waren Dinge, die den wilden Max jedesmal zu dem Ausspruch veranlassen konnten: »Herr, siehe dein Volk an – es sin lauter Zijeiner.«

Der wilde Max saß stets auf dem Sims des großen Ladenfensters. Dieser Sitz gehörte ihm. Saß ein andrer dort und er kam hinzu, so machte er ohne weiteres bereitwillig Platz. Das Ladenfenster war bis zur Manneshöhe milchfarbig gestrichen. Um so ungestörter konnten sie hier sitzen – ihr Mittagsschläfchen halten oder sich auf andre Art die Zeit vertreiben.

Es war ein heller, freundlicher Nachmittag. Die angrenzenden Straßen zeigten ihr um diese Zeit übliches Gesicht.

Abraham ging langsam auf und ab, sah auf seine Schuhe und murmelte vor sich hin. Da stand man hier und wartete, wartete bis zum Schwarzwerden. Hatte es nicht seine Frau besser, die in die Buchbinderei ging? Solange Arbeit da war, hatte sie wenigstens ihren regelmäßigen Verdienst. Ja, er allein hätte die Kinder nicht ernähren können. Kaum eins. Geschweige denn vier. Hatte nicht neulich die Zweitreppige gesagt, sie sähen aus wie Bettelkinder –! Die sollte sich ja um sich bekümmern – die – die sollte sich ja vor ihm in acht nehmen. Zornig stieß er im Gehen ein Blatt Papier mit dem Fuß zur Seite. An der Ecke angelangt, bog er schnell in eine Seitenstraße ein und trat in die erste Hausflur. Prüfend sah er sich um. Langte dann in seine Bluse, zog die Flasche hervor und trank einige hastige Schlucke. Die Flasche wieder verbergend, trat er mit unbefangener Miene auf die Straße. Ging schnell bis zur nächsten Ecke und nahm dort seinen langsamen Schritt wieder auf. Es war durchaus nicht nötig, daß es jemand sah.

Da bemerkte er, wie bereits einige um den wilden Max herumstanden, dröhnend lachten und ihn drängten, diese neueste Räubergeschichte zu erzählen. Der hatte gut erzählen. Hatte ja auch halbwegs etwas Sicheres jeden Monat. Denn er bekam eine kleine Rente für seinen rechten Zeigefinger, dem zwei Glieder fehlten. Freilich sagte er, er hätte sich die fehlenden Glieder einmal vor Wut abgebissen, weil er einen hauen wollte und der ausgerissen wäre. Nein, Abraham wollte sich nicht mit hinstellen. Man kann nicht wieder los von ihm. Dieser Teufel hatte es ja auch nur auf ihn abgesehen. Wie er zögerte und nach ihm hergrinste! Abraham fühlte das, auch wenn er nicht hinsah.

Lange konnte er indes das Abseitsstehen nicht durchführen. Sie riefen ihn, bis er mit ärgerlichen Schritten, von denen jeder ein Protest war und zeigen sollte, daß er nicht gern kam, zu ihnen trat.

Der wilde Max saß auf dem Fenstervorsprung und lehnte mit dem Rücken an der Scheibe.

»Gibb mir erscht mal een«, sagte er zu dem Schtumpelschtecher. Dieser entnahm seiner Ledertasche einen längeren Zigarrenstummel. Max steckte ihn in seine papierne Zigarrenspitze und ließ sich Feuer geben. Dann rückte er ingrimmig an seiner Dienstmannsmütze, bis sie etwas schief saß, zog die borstigen Augenbrauen finster zusammen und kreuzte die Arme über der Brust. »Was denkt ihr wohl, wenn ich meine Wut kriege – ich haue alles kurz und kleen – da is mir alles egal dann –.« Starr sah er dabei vor sich hin. Wenn nun vollends die Muskeln seiner Kinnladen tanzten und vibrierten, sagte beinahe keiner seiner Zuhörer ein Wort mehr. Das sah auch zu unheimlich aus. Eine fürchterliche Wut mußte in ihm kochen. Dabei konnte man das Spiel seiner Kinnladen wie das letzte Aufflackern eines unglücklichen Gegners deuten, der unbarmherzig zermalmt wurde.

»Gestern – ja – ja – da is mir wieder sowas Komisches passiert. Mer solltes garnich fer meeglich haltn. Ich sitze also hier uffn Sims un trockne mir meine Mütze innewendch, weils doch son heeßer Tag war. Da kommt eener un sagt, werter Freind, Sie könn mir mal mein Koffer von der Bahn holn. Wie ich schon sagte, war’s mächtch warm, un hier an der rechten Ecke beim Konditter putzte das neie Dienstmädchen von Zahnartzts grade de Fenster. Daderbei trat se so weit raus, daß ich jeden Momang dachte: jetzt fällt se. Ich schtand dessertwegen immer mit een Been uffn Schprunge, daß ich se noch zu packn kriege, wenn se fällt. Ich sage nu zu dem Reiseonkel: ich habe jetzt keene Zeit. Entschuldign Sie, meent er, un sah nach de Uhr – wielange könnte denn das dauern? – Ne halbe Schtunde vielleicht, das weeß ich jetzt noch nich. Da komm ich nachher noch mal, sagt er, zieht den Hut un sagt adjö. Adjö. Ja, ich passe wieder uff, daß die leichtsinnige Karline nich ausn Fenster fällt – da uff eemal merke ich, wie jemand von der Seite her ruft. Sst! Sst! Sie da –! Na, ich schiele mit een Ooche hin, daß ich nich verpasse, wenn se runterfällt, un sehe da, wie eener uffä Gaule sitzt. Lange Reitschtibbeln, schwarzn Schwenker un Esse. In sein Handschuhfingern hat er ä weißn Brief – un ruft so von ohm runter, daß ich den Brief gleich besorgen solle. Das Kerlchen hättet ihr überhaupt ämal sehn solln. Den uffn Feifenkopp – da könnt ihr vor Lachen nich roochen. Na, ich denke mir, so eilig wärd das nich sin mit dein Briefbesorchn, un meene zu ihm, daß ich jetzt keene Lust habbe. Hä – macht er un klemmt sei drittes Ooche fester ins Gesichte. Er hatte ‘s wohl nich richtch verschtandn, un da sag ich’s noch ämal, daß ich jetzt keene Lust nich habbe. Ach nee, sagt er, un fung an ze feixn. So recht dreckch, wißt ihr, un das wißt ihr ooch, daß ich alles vertragn kann, bloß das nich. Ich behalte abber meine Ruhe un gucke wieder mit allen beeden Oochn bei Zahnartzts ihre Anna. Uff eemal schreit der von sein Gaul runter mit änner Schtimme wie ne Groschentrompete. Fräächer Kärrl, sofort kommst du her –! Jetzt feixe ich. Das bringt mein Urach natierlich in de Wolle, un gefällt mir, weil das ä menschlicher Zug is, den ich ooch von mir kenne. Wie ich nu immer noch feixe un sitzn bleibe, huppt eich der Kerl, als hättn der Hahn gehackt, mit seiner Zicke uffs Trottewahr un fuchtelt mit seiner Fiepe in der Luft rum. Na, ich denke, was soll denn das nu wärn, wenn’s fertj is? Hau du nur! Een Schlag! Un wärklich zieht er mir eens übern Buckel. Wenn Anna jetzt runterfällt, is der Schuld! Mir wärds schwarz vorn Oochn – alles schwimmt – na, ihr kennt mich ja – greife dem Bock in de Nasenlöcher, un mit der Faust haukch eens uff de Pferdeschtärne. Der Gaul kriegtn Lachkrampf in de Knieä un fällt um. Mei Anies kommt mit een seiner langschtibblichn Beene daderbei unter den Pferdebauch ze liegn. Er krächzt und zappelt un schreit, wenn er sein Bixtol mit hätte – – –. Ich setze mich wieder uff mein Platz un sage: siehste mei alter Freind, du kennst den wilden Max noch nich. Nu schreit er un schimpt un zerrt wie verrückt an sein Been rum. Wie das so is – hier an der Ecke is immer ä mächtger Verkehr – da dauerts nich lange, un alles is schwarz von Menschen. Alle schtehn drum rum. Keener traut sich ran, weil das Pferd um sich schlägt. Mir dauert das nu ooch ä bißchen lange. Das arme Pferd konnte doch nischt davor – un eh ä Schutzmann geholt – oder de Feierwehr – denke ich, ‘s wärd doch besser sin, wenn du die Sache wieder ins richtge Gleise bringst. Erscht gucke ich noch mal bei Annan, die natierlich ‘s Fensterputzn vergessn hat un das ganze Theater fein sehn kann – un schubbe de Menschen beiseite. Da liegt nu der zitternde Gaul, un mein Freind hat sei Been immer noch unter den Pferdebauch. Ä paar Zuschauer ham unter de Arme gefaßt un zerrn un zerrn – –. Na, ich packe das zitternde Vieh mit eener Hand an Hals, mit der anderer an Schwanz, hebs in de Höhe un schtells wieder sachte uff de Beene. Was mein Freind is – der kraucht uff alln Viern rum – denn bei dem Zerrn da hatter sei Been glücklich aus sein Schtibbel rausgewärgt. Nu schtand er da mit een Schtibbel un een rosarotn Schtrump. Vor lauter Fitz konnte er sein Langschäfter nich schnell genug anziehn, drehte sich erscht paarmal im Kreise rum – fiel beinahe hin – bis eener mit half. Wie ich den Leiten de ganze Geschichte erzähle, klatschtn sie in de Hände un wolln mich uffs Pferd setzn. Aber ich winke mit der Hand, se solln nich solches Uffhebens machen von der Sache. Mei Urach is nu schleinigst wieder uff sein Bock geklettert un will sich ausn Schtoobe machen. Wie er schon son Schticke fort is, feife ich mit mein zwee Fingern Huitt! Er dreht sich um, un ich winke. Richtch kommt er schnell angeschwirrt, zieht heeflich sein Hut un fragt, was ich wünsche. Ich mache noch ne kleene Kunstpause, weil er so verlegen is un seine hohe Persönlichkeet so lächerlich gemacht wurde, un sage denn leise zu ihm: du hattst doch vorhin ä Brief zu besorchn!? Er sucht mit zittrigen Fingern in sein sämtlichen Taschen rum un bringt endlich den ganz zerknautschten Brief raus. Die Adresse schteht druff, haucht er, un will mir son hartes Schtick Gott-mit-uns in de Hand drückn. Ich sage, laß nur dei Geld schtickn, da kannste dir dein Anzug frisch uffbiegeln lassen. Immer nobel, un wenn’s Hemde guckt – wenn ooch heeme der Kamm uff der Butter liegt. Er sagte: danke scheen, un drückt sich seitwärts in de Büsche. Eh ich mich uff de Sockn mache, gucke ich erscht noch mal bei Annan. Abber die is nich mehr zu sehn. Wahrscheinlich isse doch runter gefalln, weil ich nich immer hinguckn konnte … An den fein Hause, was uff den Brief schteht, klingle ich. Son glattrasierter Junge nimmt mir den Brief ab, un ich sage fix, daß ich uff Antwort warte. Ich schtehe da un warte – kee Mensch läßt sich sehn. Na, ich mache de Tür von innewendch zu, geh durchn Garten – ä paar Schtufn nuff un ins Haus. Das kannch eich nu gar nich beschreim, wie’s da aussah. Ihr wärd glatt uffn Rückn falln. Alles in Marmor un dicke Teppche – da gehste als obste schwebst –. Ich huste nu mal so recht anzieglich, un wie ich mich umdrehe, da schteht eene da – ich wußte nich, is die gemalt, oder is das sone Fijur, die schon daschtand, alste reinkamst. Die Fijur schtärzt mir vor de Beene, hebt de Hände hoch und bettelt, ich soll ihr nischt tun. Ich schtreiche ihr über ihre fein Haare un sage, ich will Sie nischt tun – ich kenne Ihnen doch gar nich. Ich gloobe, ich habbe geweent. Abber denn schrie ich mit Wut in der Schtimme, ich müßte sofort was zu essn ham – ä fein Pickus müßt ich ham. Was denkt ihr wohl, wie die nausflitzte. Eens zwee drei kamse wieder rein, un zwee Diener brachtn ä Tisch mit lauter Fresserein druff. Ich – mein Leibriem abgeschnallt – un wie so ä Habicht über den Tisch her – ich habbe eich ungefähr gehamstert wie ne neinköppche Raupe. Mir wars Wasser immer aus eener Backe in de andre geloofn. Wie ich fertch bin, kommt das kleene Freilein rein un fragt, ob ich ihr helfn wolle. Na, warum denn nich? Wenn sies verlangt hätte, hättch das ganze Haus umgefackt, weil ich so satt war un sie so hübsch. Ja, sie wolle von hier fort fliehn. M. W., mit Wonne sage ich. Sie hielt’s hier nich mehr aus. Natierlich – das feine Essen jeden Tag. Draußn in der Remise schtänd ä kleener Handwagn – der wärde geniegen für ihre Sachen. Gut, ich hole den Wagn raus, un sie bringt ungefähr son Schticker zwanzch Hutschachteln raus. Abber solche Schachteln, da konnt ich allemal bloß eene untern Arm nehm. Wie ich alle zwanzch uffgeladn hatte, zogn mir los. Niemand ließ sich sehn. Ich hätts je ooch keen geraten. Abber wundern tatch mich, wo se eegentlich hinwollte! Kreiz un quer ging’s durch de Schtadt. Eenmal links un eenmal rechts – dann wieder links – dann ging’s im Kreise rum, bis mar wieder uffn sellm Flecke schtandn. Wie mir so ne Schtunde egal hin und her gefahrn warn, da sagt se ze mir – mir wolltn nur wieder ze Hause gehn. ‘s wär heite so scheißliches Wetter – se hätte gar nich gedacht, daß der Wind so kalt blies. Un ihre Gummischuhe hätte sie ooch vergessn. Un wie ihr de Beene weh tätn von den vielen Loofn. Da fuhr ich ähmt wieder heeme un lud de Hutschachteln ab. – Ich mache jeden Unfug mit. Nu horcht mal genau druff, was ich eich sage. Morgen oder wenn’s grade mal paßt, nehme ich Schlesingern sein zehnmetrigen Möbelwagen un fahre nach der Willa. Das kleene Freilein hat schon ze mir gesagt, dasse von ihrn zwölf Zimmern bloß zweeä braucht. Da lade ich alles uff, die fein Tische und Schtühle, de Teppche un so, un da machn mir mal son recht verhaun Tag, un ich schenke eich dann alles – – ich wär mich doch nich mit dem ganzen Kram rumärgern. – – – Hm – ‘s geht nirgends närrscher zu als in der Welt – –«

Der wilde Max steht auf, reckt sich und macht einige schwerfällige Schritte.

Abraham entfernt sich eilig und murmelt so etwas wie: »Der Schtromer, der ganz große.«

Da lacht Max durch die Nase und entnimmt einer abgegriffenen Blechdose ein Stück Männerschokolade, wie er den Priem nennt.

Die neuste Räubergeschichte haben seine Zuhörer diese Erzählung genannt. Sie ist aber schon so oft von ihm erzählt worden, daß sie sie selbst so ziemlich auswendig können. Nur schmückt sie der wilde Max öfters hier und da ein wenig aus, oder bringt ein neues, gerade aktuelles Geschehnis hinein. Und immer beginnen seine Geschichten mit »gestern« und enden mit »morgen oder wenn’s grade mal paßt«.

Wenn am Tage der Straßenverkehr an ihnen vorüberflutet und der Gang, die Haltung, die allerneuste Mode einer oder eines Vorübergehenden ihre Lachlust erregt, dann drehen sie sich um und rufen: »Haste den gesehn? Das war dei Freind Anies.« Oder mit einer Kopfbewegung und einem Augenzwinken: »Max – das war deine Fijur, die mit dem großen Schiebel3.«

3Hut.

Dann aber steckt Max sein überlegenstes Lächeln auf und brummt: »So ne Fijur wie meine Fijur, gibt’s nich zweemal.«